Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

434 8 44. Der Begriff der Reichsbeamten. 
Von derselben Art ist das Dienstverhältnis des Staatsbeamten zum 
Staate, nur daß es nicht privatrechtlicher, sondern öffentlich-rechtlicher 
Natur ist‘). Es setzt voraus die Begründung durch einen Vertra 
d.h. durch einen speziellen Konsens für jeden einzelnen Fall. Der 
Staat muß den Willen erklären, die individuell bestimmte Person in 
seinen Dienst zu nehmen, und der Beamte muß einwilligen, in diesen 
Dienst zu treten. Aber dieser Vertrag ist kein Kontrakt des Obli- 
gationenrechts, sondern er begründet ein Gewaltverhältnis des Staates, 
eine besondere Gehorsams-, Treue- und Dienstpflicht des Beamten, 
andererseits eine Pflicht des Staates zum Schutze und zur Gewährung 
des zugesicherten Diensteinkommens. 
Wesentlich ist auch hier die Verpflichtung des Staates, den Beam- 
ten in Ausübung seiner Dienstpflicht zu schützen; die Gewährung eines 
Diensteinkommens ist die Regel, aber ist nicht wesentlich. Eine Ver- 
letzung der Dienstpflicht seitens des Beamten ist kein Kontraktsbruch, 
sondern ein Vergehen (Disziplinarvergehen) entsprechend der Felonie 
des Lehnsmanns. 
Die Erfüllung der Beamtenpflichten ist nicht Kontraktserfüllung, 
sondern Erfüllung der übernommenen Treue und Gehorsamspflicht. 
Mithin unterscheidet sich der Dienst des Beamten dadurch von 
dem Dienst des Untertanen, daß der letztere ihn leisten muß, ohne 
daß er sich durch seinen freien Willensentschluß dazu verpflichtet hat, 
und dadurch von dem Dienst desjenigen, den der Staat gemietet hat, 
daß der letztere dem Staate als gleichberechtigter Kontrahent gegen- 
über steht. Die durch diesen doppelten Gegensatz bestimmte Art des 
Dienstverhältnisses liefert das entscheidende, wesentliche Kriterium des 
juristischen Begriffes des Beamten ?). 
Ist diese Definition richtig, so folgt zugleich daraus, daß eine Reihe 
von anderen Kriterien, welche in der Literatur öfters als begrifisbestim- 
mend angegeben werden, nicht von Erheblichkeit ist. 
Ritter in die Ministerialität eines Fürsten; vgl.v. Zallinger, Die Schöffen- 
barfreien des Sachsenspiegels 1887, S. 260 ff. Ja selbst die Leibeigenschaft 
konnte vertragsmäßig begründet werden. TheodorKnappin der Savigny-Zeitschr. 
für Rechtsgeschichte. Germanist. Abteilung Bd. 19, S. 26, 30. Natürlich bin ich weit 
entfernt davon, das Beamtenverhältnis der Gegenwart mit der Vassallität oder Mini- 
sterialität zuidentifizieren. 
1) v. Gerber, Grundzüge 8 36, Note 1 weist zwar auf diese Analogie hin; im 
übrigen ist aber seine Auffassung des juristischen Verhältnisses eine von der hier 
vorgetragenen sehr abweichende. 
2) Anderer Ans. O. Mayer im Arch. £. öff. R. Bd. 3, S. 42; v. Rheinbaben, 
Preuß. Disziplinargesetze 1904, S. 29; Preuß, Das städt. Amtsrecht in Preußen 
(Berl. 1902). Vgl. jedoch dagegen Jellineka.a O.S. 179, 209fg.; v. Seydel, 
Bayer. Staatsr. II, S.183 ff. und meine Erörterung im Arch. f. öff. R. Bd. 18, S. 75fi. 
Es gibt allerdings Fälle, in welchen eine gesetzliche Pflicht besteht, in ein Beamten- 
verhältnis einzutreten, namentlich ein durch Wahl übertragenes Ehrenamt anzuneh- 
men. Esist dies eine Zwischenbildung zwischen dem Dienstverhältnis des 
Beamten und der Amtspflicht der Untertanen.
	        
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