440 8 4. Der Begriff der Reichsbeamten.
Die Dienstpflicht des Staatsbeamten wurde als potenzierte Untertanen-
pflicht erklärt und dem Staat das Recht beigelegt, die Untertanen zum
Eintritt in den Staatsdienst zu zwingen'. Hefftera.a 0. S. 126
nimmt ein solches Recht des Staates im Prinzip an, stellt aber einige
auf Billigkeitsgründen beruhende Einschränkungen seiner Ausübung
auf?.. Perthesa. a.0.S.52fg., bes. S. 55, führt diese Ansicht noch
prinzipieller durch und sieht nur in dem Andrange zum Staatsdienst
einen Grund, statt den Unwilligen zu zwingen, lieber den sich freiwillig
Meldenden zu nehmen’). Völlig auf demselben Standpunkte steht
Dahlmann, Politik (3. Aufl.) S. 271 ff. ($ 2531—255) und in der neue-
sten Literatur klingt diese Theorie noch fort, indem die Anstellung
des Staatsbeamten fast allgemein als ein einseitiger Akt des Staa-
tes angesehen wird‘).
Diese Theorie beruht einfach darauf, daß man sich keinen anderen
Vertrag denken konnte als einen obligatorischen, und daß man daher
eine Dienstpflicht, welche nicht als kontraktliche aufgefaßt werden kann,
nur als Untertanenpflicht zu konstruieren vermochte’). Ihr liegt fer-
last; sie werden von den einzelnen nach Maßgabe ihrer Kräfte, Talente und Kennt-
nisse gefordert.“ Näheres jetzt bei Rehm S. 630—650.
1) Der Beamte schließe keinen Vertrag mit dem Staate, sondern erfülle seine
Pflicht. Eine Ausnahme sei nur vorhanden, wenn ein Ausländer zu einem Staats-
dienst berufen werde; hier werde ein Vertrag geschlossen. Gönner S. 9 ff.
2) Derselbe faßt dann das durch Ausübung dieses Zwangsrechts entstehende
Rechtsverhältnis wieder ganz privatrechtlich auf, als eine Obligation quasi ex con-
tractu, nach Analogie der Tutel, so daß der Staat dem Beamten leisten solle quod
ex bona fide dare facere oportet. S.130ff. Vgl. Rehm S. 664 ff. Konsequenterweise
müßte dies doch auch für den Beamten gelten, und so gelangt man wieder völlig in
die privatrechtliche Kontraktslehre. Da auch schon Seufferta.a. 0.S.9 ff. die
Pflicht jedes Untertanen zum Staatsdienste behauptet und demgemäß annimmt, daß
jeder, den der Staat in seinen Dienst beruft, den „Anstellungsvertrag“ abschließen
muß, so ist diese Ansicht von der Heffters nicht wesentlich verschieden. Zwangs-
vertrag oder Quasievertrag ist bloßer Wortstreit.
3) Nähere Angaben jetzt bei Rehm S. 668g.
4) Zachariä Il, S. 30 ($ 136) will das Zwangsrecht des Staates als Regel
nicht anerkennen, wohl aber im Falle eines Notstandes nach den Grundsätzen
des jus eminens. Im Prinzip gesteht er also doch das Zwangsrecht dem Staate zu
und beschränkt nur dessen Ausübung. Ein Referat über die Lehre Zachariäs und
seiner zahlreichen Anhänger gibt Rehm S. 674g.
5) In dieser Beziehung bemerkte schon Schmitthenner, Grundlinien des
allgemeinen oder idealen Staatsrechtes, Gießen 1845, S. 509, sehr richtig: „Das orga-
nische Verhältnis des Staatsdienstes wird, wo nicht jemand ein Amt durch Geburt
erwirbt, durch Vertrag eingegangen. Der Staatsdienst ist nicht, wie etwa der gemeine
Militärdienst, eine Pflicht, welche der Regent durch Befehl und Gesetz auferlegen
kann. — Wenn manche, wie z. B. Hegel (Rechtsphilosophie $ 75, S. 294) sich hier-
gegen erklären, so beruht dies einfach auf dem Irrtum, daß sie den Vertrag im all-
meinen mit einer bloßen Art desselben, dem Vertrag des abstrakten Vermögensrechts,
namentlich dem obligatorischen, gleichsetzen. Es ist freilich kein Obligationsverhält-
nis, sondern ein besonderes öffentliches, folglich ein organisches Subjektionsverhältnis,
welches durch den Staatsdienstvertrag begründet wird, wie schon daraus hervorgeht,
daß der Staat nicht ein bloßes Klagerecht, sondern das Recht zu Befehl und Zwang