Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

8 45. Die Anstellung der Reichsbeamten. 447 
als Ausfluß. der staatlichen Herrschaft angesehen!). Aber auch die- 
jenigen Juristen, welche prinzipiell das Zwangsrecht des Staates zum 
Eintritt in den Staatsdienst verwerfen, halten daran fest, daß die An- 
stellung eines Beamten kein Vertrag, sondern ein einseitiger Willens- 
akt des Staates sei. Das Anstellungsdekret, sagt man, habe den juri- 
stischen Charakter eines Privilegiums, einer lex specialis?). 
Allein, wenn man auch davon absehen will, daß bei den Anstel- 
lungsdekreten die Form der Gesetzgebung nicht Anwendung findet, 
so ist doch nicht zu verkennen, daß auch materiell die Anstellung 
von Staatsbeamten kein Akt der Gesetzgebung, sondern ein Rechts- 
geschäft ist. 
Der Landesherr, welcher die für den Staatsdienst erforderlichen 
Arbeitskräfte durch Anstellung von Beamten anschafft, erledigt dadurch 
staatliche Verwaltungsgeschäfte, aber er stellt nicht für jeden einzelnen 
Fall eine besondere Rechtsnorm auf. Wie fast alle Verwaltungsge- 
schäfte werden auch die Anstellungen in der Form der Verfügung 
erledigt; aber eine solche Verfügung ist keine Verordnung im techni- 
schen Sinne. Man verkehrt doch wahrlich den materiellen Begriff des 
Gesetzes einer scholastischen Formel zu Liebe in sein Gegenteil, wenn 
man annimmt, daß die Millionen von Anstellungsdekreten der Be- 
amten ebensoviele Spezialgesetze seien. Man kommt mit dieser For- 
mel aber überhaupt nur aus bei den Staatsbeamten, da nur der Staat 
Gesetze erlassen kann, während doch die Anstellung von Staatsbeamten 
und die Anstellung von Gemeinde-, Kirchen- und Privatbeamten unter 
eine gemeinsame Begriffskategorie fallen. Die Anstellung eines Eisen- 
bahnbeamten an einer Privatbahn ist ein Rechtsgeschäft, an einer 
Staatsbahn soll sie ein Gesetzgebungsakt sein! Der königliche Förster 
soll durch lex specialis sein Amt haben, der Förster des Standesherrn 
durch Vertrag! Den Beamten der Städte und Landgemeinden schreibt 
man die Eigenschaft mittelbarer Staatsbeamten zu und in jedem Falle 
sind sie öffentliche Beamte. Haben nun auch die Gemeinden die Be- 
fugnis, Spezialgesetze zu erlassen und machen sie von derselben bei 
der Ernennung der Kommunalbeamten Gebrauch oder schließen sie 
1) Perthesa.a. O.S. 55: „Nicht auf einem Vertrage beruht die Uebernahme 
des Amtes, denn die Pflicht hört nicht auf, Pflicht zu sein, wenn der, welchem sie 
obliegt, mit Freuden erfüllt... So ist auch der vom Landesherrn Auserlesene ver- 
pflichtet, das Amt zu übernehmen, auf seine Einwilligung kommt es hier so wenig wie 
bei der Entrichtung der Steuern oder Erfüllung sonstiger Untertanenpflichten an.“ 
2) So Zöpfl, Staatsrecht II, $ 515; Zachariä Il, 8 135 (S. 27); v. Gerber, 
8 37; Bluntschli, Allgem. Staatsrecht II, S. 124 (der jedoch den Ausdruck Spe- 
zialgesetz deshalb vermieden wissen will, weil die Anstellung in der Regel nicht 
durch den gesetzgebenden Körper erfolgt); Pözl im Staatswörterbuch Bd. 9, S. 688 
und bayer. Verfassungsrecht 8 199, Note 2 (S. 495); v. Rönne, Preuß. Staatsrecht 
II,1, 8 328. Vgl. ferner Maurenbrecher $S161l; Grotefend 8 673; Schulze, 
Preuß. Staatsrecht I, $ 99. Selbst Schmitthenner, der die Anstellung richtig 
als einen Vertrag des öffentlichen Rechts auffaßt, legt dessenungeachtet S. 506 dem 
Anstellungsdekret „den Charakter einer lex specialis bei“.
	        
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