36 8 3. Das Verhältnis des Nordd. Bundes zu den südd. Staaten.
nicht, daß es rechtlich unerheblich und gleichgültig sei, ob die Staats-
gründung ein rechtmäßiger oder ein rechtswidriger Vorgang gewesen sei.
Hiernach ergibt sich, daß zwar nicht der Rechtsgrund der Bundes-
verfassung, wohl aber die Rechtmäßigkeit der staatlichen Willensakte
und Handlungen, durch welche die Schöpfung des Bundesstaates er-
folgte, nach dem zur Zeit der Errichtung des Bundes geltenden Staats-
recht der Einzelstaaten und daher für jeden derselben besonders zu
beantworten ist. Die Gründung des Bundes war, wie oben erörtert
worden, eine staatliche Handlung, deren Inhalt die gemeinsame Er-
richtung einer Staatsgewalt und die Unterwerfung jedes einzelnen, bis
dahin souveränen Staates unter dieselbe war. Eine solche Handlung
konnte von dem Träger der Staatsgewalt nur unter Beobachtung der
für Verfassungsänderungen vorgeschriebenen Formen vorgenommen
werden und aus diesem Grunde mußte in jedem Einzelstaat der hier-
auf gerichtete Willensentschluß in der Form des (verfassungs-
ändernden) Gesetzes erklärt werden. Durch die Konstatierung der
Tatsache, daß diese Form in sämtlichen dem Bunde beigetretenen
Staaten beobachtet worden ist, wird der Beweis für die Legitimität
der Bundesverfassung und der Staatsgewalt des Bundes erbracht und
hierin besteht die staatsrechtliche Bedeutung der einzelstaatlichen
»Publikationsgesetze« für den Norddeutschen Bund und das Deutsche
Reich; sie vermitteln den rechtlichen Zusammenhang zwischen dem
letzteren und derjenigen staatlichen Ordnung, die vor der Gründung
desselben bestanden hat).
$ ö. Das Verhältnis des Norddeutschen Bundes zu den süddeutschen
Staaten.
Durch den Prager Frieden Art. IV hatte Preußen sich Oesterreich
gegenüber verpflichtet, das »engere Bundesverhältnis« nach Süden hin
nicht über die Linie des Mains auszudehnen; den süddeutschen Staaten
sollte vielmehr freistehen, in einen Verein zusammenzutreten, der mit
dem Norddeutschen Bunde zwar über eine »nationale Verbindung«
sich sollte »verständigen« dürfen, aber »eine internationale, unabhängige
Existenz haben« sollte.
1) Binding.a. a.0. S.59 verspottet ohne Berechtigung diese unerläßliche Be-
obachtung der landesgesetzlichen Formen als „Gesetzlichkeitsfehler*. Seine Behaup-
tung S. 53 fg., daß der Reichstag und die Regierungen „sich einander gegenseitig
gelobt hatten“, die vereinbarte Verfassung gegen jeden Angriff Dritter zu behaupten
und sie ohne jede Modifikation zur Durchführung zu bringen, soweit sie nicht „ehe-
hafte Not“ daran hinderte, ist eine Erdichtung; seine weitere Behauptung, daß die
Verfassung mit dem 17. April 1867 „als ohne weiteres durchführbares Grundgesetz
von allen Staaten anzuerkennen war, deren Stände das definitive Vereinbarungs-
werk den Regierungen und dem Reichstage überlassen hatten“, ist belanglos, da diese
Voraussetzung nur für Braunschweig und Bremen zutraf. Vgl. gegen Binding auch
Hänel, Staatsrecht I, S. 25; ZornJ, S. 22, Anm. 10; G. Meyer S. 177.