& 47. Die Pflichten und Beschränkungen der Reichsbeamten. 463
ordnungen des Vorgesetzten an die ihm untergebenen Beamten völlig
zulässig sind }).
2. Der Beamte hat selbständig und mit eigener Verantwortlichkeit
zu prüfen, ob die ihm zustehende Amtsgewalt ihn ermächtigt, die ihm
aufgetragene Handlung vorzunehmen. Wenn die Vornahme der auf-
getragenen Handlung nicht zum Geschäftskreise des beauftragten Be-
amten gehört oder ihm nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften
untersagt ist, so ist er weder berechtigt noch verpflichtet, dem Befehl
Folge zu leisten. Diese Prüfung erstreckt sich aber auch nur auf die
formelle Seite, d. h. nicht darauf, ob durch die ihm aufgetragene Hand-
lung materiell das geltende Recht verwirklicht oder verletzt wird,
sondern ob er zur Vornahme derartiger Handlungen überhaupt
befugt ist, sowohl mit Rücksicht auf die territoriale Begrenzung seiner
Amtsgewalt als auch mit Rücksicht auf die sachliche Begrenzung
derselben.
Ein Erkenntnis des preußischen Obertribunals vom
17. November 1871?) hat den richtigen Grundsatz aufgestellt, daß ein
vollstreckender Beamter nur dann in der rechtmäßigen Ausübung
seines Amtes sich befand, »wenn demselben sowohl in örtlicher als in
sachlicher Beziehung die Zuständigkeit beigewohnt habe, daß er also
im Allgemeinen befugt gewesen sei, Vollstreckungshandlungen der frag-
lichen Art am betreffenden Orte vorzunehmen« °).
Der Rechtssatz beruht darauf, daß der vorgesetzte Beamte nicht
imstande ist, die gesetzlich festgestellte Kompetenz der ihm unter-
gebenen Beamten zu erweitern und deshalb demselben auch keine
dienstlichen Befehle mit verbindlicher Kraft zu erteilen vermag, welche
außerhalb des Umfanges dieser gesetzlichen Zuständigkeit fallen *). Die
Pflicht, zu prüfen, ob ein Beamter zur Vornahme solcher Handlungen,
wie die ihm aufgetragene, im Allgemeinen befugt sei, mutet demselben
auch keine Entscheidung zu, welche seine geistigen Kräfte übersteigt,
da im allgemeinen jeder Beamte seine formelle (abstrakte) Zuständig-
keit kennen muß. In allen Fällen aber, in denen eine Behörde ge-
setzlich berufen ist, über die Zuständigkeit einer Behörde oder eines
1) Für alle schriftlichen Verfügungen ist die Unterschrift des zur Vertretung der
Behörde legitimierten Beamten erforderlich; für Erkenntnisse die Beobachtung der
für die Urteilsausfertigungen vorgeschriebenen Formen; für Verfügungen des Kaisers
die Gegenzeichnung des Reichskanzlers oder eines verantwortlichen Stellvertreters
desselben.
2) Oppenhoff, Strafgesetzb. 113, Note 12.
3) Uebereinstimmend die Entscheidung des Reichsgerichts vom 27. Nov. 1896.
Entsch. in Strafsachen Bd. 29, S.199 ff. Vgl. ferner die Urt. v. 24. Okt. 1884 daselbst
Bd. 11, S. 175 und v. 5. April 1895, Bd. 27, S. 153.
4) Wenn durch Instruktionen oder andere dienstliche Anordnungen einer vorge-
setzten Behörde der Geschäftskreis eines Beamten begrenzt ist, so kann er durch
Anordnungen der vorgesetzten Behörde, soweit deren Zuständigkeit reicht, erweitert
oder verändert werden, und soweit sind daher auch dienstliche Befehle verbindlich.