Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

8 48. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung. 473 
Verletzung zum Tatbestand eines Deliktes erklärt worden sind, erlangen 
diese allgemeineren Prinzipien rechtliche Bedeutung; der ganze 
übrige Inhalt hat nur den Charakter eines moralischen oder politi- 
schen Prinzips, eines Gesetzgebungs motives. Solche Prinzipien, 
welche an sich nicht zu Rechtssätzen erklärt sind, aber speziellen 
Rechtsvorschriften zur gemeinsamen Grundlage dienen, sind folgende: 
1. Kein Beamter soll aus dem ihm anvertrauten Amt rechtswid- 
rigen Gewinn ziehen. 
Darum ist mit Strafe bedroht die Annahme von Geschenken für 
amtliche Handlungen (8 351), die Passivbestechung ($ 332, 334), die 
Erhebung übermäßiger Gebühren oder Abgaben oder die Rückbehal- 
tung ungerechtfertigter Abzüge ($ 352, 353). 
2. Kein Beamter soll die ihm übertragene Amtsgewalt mißbrauchen. 
Unter der Amtsgewalt ist hier aber nicht nur die Exekutivgewalt ver- 
standen, sondern auch die amtliche Funktion der richterlichen Beam- 
ten, durch Urteile formelles Recht zu schaffen, und die amtliche 
Funktion Beamter, durch Notariatsakte Rechtsverhältnisse zu begrün- 
den oder zu bekunden oder rechtlich erhebliche Tatsachen festzustellen. 
Darum ist mit Strafe bedroht die widerrechtliche Nötigung Jeman- 
des zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung durch Mißbrauch 
der Amtsgewalt oder durch Androhung eines bestimmten Mißbrauchs 
($ 339); die Erpressung von Geständnissen in einer Untersuchung durch 
Anwendung von Zwangsmitteln ($ 343); die widerrechtliche Eröffnung 
einer Untersuchung ($ 344) oder die widerrechtliche Vollstreckung von 
Strafen, von denen der Beamte weiß, daß sie überhaupt nicht oder 
nicht der Art oder dem Maße nach vollstreckt werden dürfen (8 345); 
ebenso ein Beginnen, welches darauf abzielt, Jemanden rechtswidrig 
der gesetzlichen Strafe zu entziehen oder eine erkannte Strafe nicht 
dem Gesetz gemäß zum Vollzug zu bringen ($ 346). Ferner aber die 
vorsätzliche Beugung des Rechts zu Gunsten oder zum Nachteil einer 
Partei seitens eines Beamten oder Schiedsrichters bei der Leitung oder 
Entscheidung einer Rechtssache ($ 336) und die vorsätzliche falsche 
Beurkundung einer rechtlich erheblichen Tatsache, wenn die Beur- 
— ist eineRechtsnorm, denn es deckt sich mit den Gesetzen gegen den Diebstahl; 
dagegen die Gebote: Du sollst nicht lügen — oder: Du sollst dich nicht auf Kosten 
anderer bereichern — sind zwar Prinzipien, welche einer Anzahl von strafrechtlichen 
und privatrechtlichen Vorschriften zugrunde liegen und zum Verständnis derselben 
dienen Können, aber sie sind an sich keine Rechtsregeln, sondern nurin denjenigen 
Verbindungen mit anderen Tatbestandsmomenten, in welchen ihnen eine rechtliche 
Wirksamkeit beigelegt worden ist. Nimmt man aber diese Tatbestandsmomente voll- 
ständig in die „Norm“ auf, so daß man dieselbe den einzelnen positiven Rechtsvor- 
schriften des Staats-, Straf-, Privat- und Prozeßrechts anpaßt und ihnen entsprechend 
differenziert, so muß diesen Normen allerdings „der Charakter als selbständiger 
Rechtssätze abgesprochen werden“. Vgl. auch die scharfsinnige Widerlegung der 
Normentheorie von A. Merkelin der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissen- 
schaft Bd. 6, S. 512.
	        
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