Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

48 85. Die Redaktion der Reichsverfassung. 
wie sie im badisch-hessischen, die andere, wie sie im bayerischen Ver- 
trage vereinbart war, und überdies die im württembergischen Vertrage 
stipulierten Veränderungen und Vorbehalte. Die Ausdrucksweise ließ 
die Konsequenz vermissen, indem die Bezeichnungen Kaiser und Reich 
zunächst nur an zwei Stellen vorläufig Aufnahme gefunden hatten. 
Es kam das schon vorhin berührte Moment hinzu, daß formell der 
Reichstag nur einen Vertrag über die Abänderung der norddeutschen 
Verfassung genehmigt hatte, die Abänderung selbst aber nicht direkt, 
sondern nur in dieser Vertragsgenehmigung ausgesprochen war. 
Dem ersten Reichstage wurde deshalb der Entwurf einer Reichs- 
verfassung vorgelegt; derselbe wurde am 14. April 1871 von dem Reichs- 
tage genehmigt und am 16. April 1871 als Reichsgesetz verkündigt. 
Das Reichsgesetz vom 16. April enthält zwei von einan- 
der scharf getrennte Bestandteile, die Redaktion der Verfassung selbst 
und das Publikationsgesetz. 
I. Die Verfassungsurkunde. 
Dieselbe schließt sich an dieim bayerischen Vertrage ver- 
einbarte Fassung an, modifiziert dieselbe aber in folgenden Punkten: 
1. Die im Versailler Schlußprotokoll unter Nr. XV vorsorglicher 
Weise getroffene Bestimmung, daß, wenn sich ergeben sollte, daß in- 
folge des mangelhaft (in Versailles) vorliegenden Materials bei Auf- 
führung des Wortlautes der Bundesverfassung ein Irrtum unterlaufen 
ist, die kontrahierenden Teile sich dessen Berichtigung vorbehalten, 
ist erledigt worden durch korrekte Feststellung des Wortlautes. 
2. Die im Art. II des Vertrages mit Württemberg diesem 
Staate zugesicherten Sonderrechte und die im Art. III des bayerischen 
Vertrages vereinbarten Beschränkungen der Anwendbarkeit der Ver- 
fassung auf Bayern sind in den Text der Verfassung selbst aufgenom- 
men worden. 
Dabei ist eine Inkongruenz zwischen dem württembergischen und 
bayerischen Vertrage betreffend das Recht zum Abschluß von Post- 
verträgen mit außerdeutschen Nachbarstaaten im Art. 52, Abs. 3 aus- 
geglichen worden; nur der württembergische Vertrag erwähnte dieses 
Recht, der bayerische nicht; in der Reichsverfassung ist es beiden 
Staaten gleichmäßig zugestanden. 
3. Die in dem badisch-hessischen Schlußprotokoll und in dem 
bayerischen Vertrage unter Nr. V enthaltene Erklärung, daß bestimmte 
Rechte einzelner Bundesstaaten nur mit Zustimmung der letzteren ab- 
geändert werden können, ist in die Verfassung selbst als Art. 78, Abs. 2 
aufgenommen worden. 
4. Die Uebergangsbestimmungen über die Termine, an denen nord- 
deutsche Bundesgesetze in den süddeutschen Staaten in Kraft treten 
sollten, welche als Art. 80 der norddeutschen Bundesverfassung an-
	        
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