$5. Die Redaktion der Reichsverfassung. 51
III. Das in der beschriebenen Art zum formellen Abschlusse ge-
langte Verfassungswerk des Deutschen Reiches hat nachträglich fol-
sende Abänderungen erfahren:
ü Art. 28, Abs. 2 wurde aufgehoben durch Gesetz vom 24. Februar
1873 (Reichsgesetzbl. S. 45);
Art. 4, Nr. 9 erhielt einen Zusatz durch Gesetz vom 3. März 1873
(Reichsgesetzbl. S. 47);
Art. 4, Nr. 13 wurde abgeändert durch Gesetz vom 20. Dezember
1873 (Reichsgesetzbl. S. 379); |
Art. 59, Abs. 1 durch Gesetz vom 11. Februar 1888 Art. I (Reichs-
gesetzbl. S. 11); | |
Art. 24 durch Gesetz vom 19. März 1888 (Reichsgesetzbl. S. 110);
Art. 53, Abs. 5 durch Gesetz vom 26. Mai 1893 (Reichsgesetzbl.
S. 185);
Art. 70 durch Gesetz vom 14. Mai 1904 (Reichsgesetzbl. S. 169);
Art. 59 Abs. 1 durch Gesetz vom 15. April 1905 (Reichsgesetzbl.
S. 249);
Art. 32 durch Gesetz vom 21. Mai 1906 (Reichsgesetzbl. S. 467);
Art. 38 Abs. 2 Ziff. 3" und durch Gesetz vom 3. Juni 1906, & 5
(Reichsgesetzbl. S. 621);
Außerdem hat die Reichsverfassung, ohne daß dies in ihrem
Wortlaut zum Ausdruck gebracht worden ist, durch spätere Reichs-
gesetze zahlreiche und sehr erhebliche Abänderungen erfahren,
welche bei den betreffenden speziellen Lehren zur Darstellung gelangen
werden !. Die Richtung dieser Entwicklung kann man im allgemeinen
dahin charakterisieren, daß sie eine unitarische war. Sie mußte es
sein, wenngleich die partikulären Kräfte und Bestrebungen eine zu
schnelle und zu radikale Verwirklichung hemmten, weil die wichtigsten
und schwerwiegendsten Interessen der Nation gemeinsame sind und
deshalb einheitlich wahrgenommen werden müssen. Da alle Seiten
und Zweige des Öffentlichen Rechts und des politischen Lebens in
einem engen und unlöslichen Zusammenhang mit einander stehen, so
mußte nach der »Logik der Tatsachen« der Partikularismus immer
weiter vor der Vereinheitlichung zurückweichen, der Gesamtwille in
immer größerem Umfange den Sonderwillen der Einzelstaaten ver-
drängen. Die politischen Kräfte drücken mit einer Art von natürlicher
Schwere auf einander; das größere Gewicht oder die größere Expan-
sionskraft des einen Faktors drängt den anderen zurück. Die Ent-
wicklung geht von zwei verschiedenen, aber auf das gleiche Ziel ge-
Tichteten Ausgangspunkten aus; der eine ist die Einheit Deutschlands
ım völkerrechtlichen Verkehr, in den auswärtigen Angelegenheiten; der
——--____.
1)
1895,
RV. s
Vgl. Laband, Die Wandlungen der Deutschen Reichsverfassung. Dresden
Ausführlicher und vollständiger derselbe, Die geschichtl. Entwicklung der
eit der Reichsgründung. Jahrb. des öffentl. Rechts der Gegenw. I, S. 1 ff. (1907).