Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

g 8. Fortsetzung. Kritik entgegenstehender Ansichten. 73 
Moment hervorgehoben, daß sie keine Gewalt über sich hat, welcher 
die Befugnis zusteht, ihr rechtlich bindende Befehle zu erteilen '). Da- 
mit ist zugleich gesagt, daß die Souveränität eine Eigenschaft absoluten 
Charakters ist, die keine Steigerung und keine Verminderung zuläßt, 
die entweder ist oder fehlt”. Eine Persönlichkeit kann einen großen 
und weitreichenden Kreis von Lebenszwecken nach ihrem freien und 
selbständigen Willen beherrschen, sie ist dennoch nicht souverän, 
wenn sie an irgend einem Punkte einem fremden Willen unterworfen, 
der Herrschaft einer anderen Persönlichkeit unterstellt, ihren Befehlen 
von Rechts wegen Gehorsam schuldig ist. Es gibt keine halbe, geteilte, 
verminderte, abhängige, relative Souveränität, sondern nur Souveräni- 
tät oder Nichtsouveränität°®). Dagegen kann eine Persönlichkeit, welcher 
hiernach die Eigenschaft der Souveränität fehlt, welche also nach oben 
in irgend einer Beziehung einer rechtlichen Gewalt unterworfen ist, 
gleichwohl Herrschaftsrechte über freie Menschen und deren Ver- 
einigungen haben, also eine Staatsgewalt besitzen. Wenn sie hinsicht- 
lich der Ausübung oder Nichtausübung ihrer Herrschermacht von 
einer höheren Gewalt rechtlich verpflichtende und erzwingbare Vor- 
schriften empfängt, so ist sie nicht souverän, aber ihre Hoheitsrechte 
sind weder vernichtet, noch in Rechte jener höheren Gewalt umge- 
wandelt‘. Man kann sich also zwar keine politische Gestaltung vor- 
1) Vgl. Rosina.a. O. S. 268. 
2) Daher kann man ebensowenig wie von einer Teilung von einer Einschränkung 
oder Einschränkbarkeit der Souveränität sprechen. Anderer Ansicht Gareis, Allgem. 
Staatsrecht S. 31; Brie (Grünhuts Zeitschrift XI) S. 129; Zorn L,S. 66 u.a. Vgl. 
dagegen meine Erörterung im Archiv für öffentliches Recht II, S. 316. 
3) Sehr treffend sind die Erörterungen von Rosina. a. O. S.270. Im Gegen- 
satz hierzu hält v. Gerber, Grundzüge (3. Aufl.) S. 247 daran fest, daß die Souve- 
ränität eines Staates auch dann anzunehmen sei, wenn sie auch nur auf irgend einem 
Gebiet vorhanden sei, z. B. hinsichtlich der inneren Verwaltungsorganisation oder des 
Schulrechts. Aehnlich Rümelin, Zeitschrift für Staatswissenschaft 39, S. 198 fg. 
In der neueren staatsrechtlichen Literatur ist die Ansicht, daß die Souveränität ihrem 
Begriff gemäß unteilbar und unbeschränkbar ist und daß eine unvollkommene oder 
relative Souveränität die Verneinung der Souveränität ist, jetzt fast allgemein aner- 
kannt. Außer Rosin, Jellinek, Bake, G. Meyer, Seydel, Lingg u. a. sind in letzter 
Zeit dafür eingetreten Le Fur S. 677fl.; Bornhak, Allgem. Staatslehre S. 11, 245 ff.; 
Rosenberg aa. 0. S.365fg.; Rehm, Allgem. Staatslehre S. 68 ff., 109; An- 
schütz S. 468ff. Nur v. Stengel in Schmollers Jahrb. Bd. 22, S. 788 hat den 
unklaren und willkürlichen Begriff einer relativen Souveränität wieder zu einer auch 
sonst mißlungenen Konstruktion des Bundesstaates verwendet. Gegen seine Ausfüh- 
rung vgl. die zutreffenden Bemerkungen von G. Meyer, Staatsrecht, $ 1, Note 6. 
4) Mejer, Einleitung (2. Aufl.) S. 25 gibt diesem Gedanken folgenden treffen- 
den Ausdruck: „Souveränität ist ihrer Natur nach nicht teilbar, denn die oberste Ge- 
walt kann nur Eine sein. Staatsgewalt hingegen ist teilbar, indem die souveräne 
atsgewalt sich selbst beschränkend der nichtsouveränen autonome Bewegung ein- 
haben. kann. Die Inhaber der Gliedstaatsgewalten im zusammengesetzten Staate 
der Or soweit ihre Selbständigkeit reicht, ebensowohl Staatsgewalt, wie der Inhaber 
die Beat diese besitzt; aber sie sind auch in deren Handhabung gebunden an 
INgungen, welche aus ihrer Zubehörigkeit zum Gesamtstaate hervorgehen‘.
	        
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