Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

134 8 61. Der Abschluß von Staatsverträgen. 
Staales, welches die Genehmigung der Volksvertretung zu Staatsver- 
trägen oder zu gewissen Arten derselben vorschreibt, dadurch die 
Legitimation des Staatsoberhauptes zur völkerrechtlichen Vertre- 
tung aufheben oder beschränken will, oder ob es nur das Staatsober- 
haupt bei der Vollziehung des Vertrages an die Mitwirkung der 
Volksvertretung binden will. Daß das Gesetz immer beides zugleich 
wollen müsse, daß es mit sich selbst in Widerspruch treten würde, 
wenn es für die völkerrechtliche Gültigkeit der Verträge andere Voraus- 
setzungen aufstellen würde als für ihre staatsrechtliche Vollziehbarkeit, 
ist unrichtig’). Die Legitimation zur Vertretung betrifit 
ein ganz anderes Rechtsverhältnis, wie die Befugnis, Untertanen und Be- 
hörden rechtsgültige Befehle erteilen zu dürfen. So wie bei den 
Personen des Privatrechts die Befugnis zur rechtswirksamen Vertre- 
tung derselben an ganz andere Bedingungen geknüpft sein kann, wie 
die Befugnis zur Geschäftsführung, Vermögensverwaltung, Statutenver- 
änderung innerhalb der Korporation, so ist auch bei den Per- 
1) Diesen Satz von der notwendigen Kongruenz der Vorschriften über 
den Abschluß und über die Ausführung von Staatsverträgen nehmen Meier und 
Gorius in den angeführten Abhandlungen zum Ausgangspunkte ihrer Deduktionen. 
In der neuesten Literatur ist dieselbe Theorie insbesondere von Ungera.a.0O. aus- 
geführt worden, dem Olunet ]l. c. p. 43, Zorn S.16 fl, Prestele: S. 43 ff., 
Schulze I, S. 130, LeoniS. 504, Jellinek, Gesetz und Verordnung S. 343 ff. 
zugestimmt haben. Das Hauptargument dieser Schriftsteller, daß „die Gültigkeit 
sich nicht spalten lasse und ein Vertrag nicht nach außen gültig und nach innen un- 
gültig sein könne“, ist nicht durchgreifend; denn „nach innen“ gibt es keinen „Ver- 
trag“, von einem solchen kann immer nur in völkerrechtlicher Beziehung gesprochen 
werden; die Gültigkeit des Versprechens wird dadurch nicht „gespalten“, daß das 
Versprechen wegen eines staatsrechtlichen Hindernisses zunächst „unvollziehbar“ 
bleibt. Wenn die Reblauskonvention vom 18. September 1878 im Art. 1 die Ver- 
pflichtung der Staaten anerkennt, Sicherungsmaßregeln im Wege „der inneren Ge- 
setzgebung“ anzuordnen, so ist dieses Versprechen gültig und kann doch unerfüllbar 
bleiben, wenn die innere Gesetzgebung aus irgend einem Grunde nicht zustande 
kommt. Ganz dasselbe würde eintreten, wenn die Konvention die zu ergreifenden 
Maßregeln speziell aufgeführt hätte, in einem Staate aber die verfassungsmäßige Zu- 
stimmung der gesetzgebenden Körperschaften nicht erteilt wird. Sehr deutlich tritt 
dies vor Augen bei den internationalen Verträgen über Verhältnisse des Privatrechts 
(Eherecht, Vormundtschaft, Erbrecht), des Urheberrechtsschutzes, des Zivilprozesses, 
der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Unger führt weiter aus, daß die Ungültigkeit eine 
relative sei, nach Analogie derjenigen privatrechtlichen Verträge, zu welchen die 
Zustimmung eines Dritten erforderlich ist. Aehnlich Prestele S. 44 Hier- 
gegen bat sich namentlich Ryck.a.a. O. und auch Zorn S. 33 gewendet. In der 
Tat kann die Volksvertretung nicht als ein „Dritter“ betrachtet werden, der neben 
den kontrahierenden Staaten als besonderes Rechtssubjekt gedacht werden kann; die 
Zustimmung der Volksvertretung ist stets ein innerer Vorgang eines der kontra- 
hierenden Staaten. Mit der hier entwickelten Ansicht, daß es lediglich nach dem posi- 
tiven Recht eines bestimmten Staates zu beurteilen ist, ob die „Genehmigung“ zum 
internationalen Abschluß oder nur zur staatlichen Vollziehung erforderlich sei, haben 
sich einverstanden erklärt G. Meyer, J. A. Levy S. 105 ff. und in eingehender 
und sorgfältiger Entwicklung Pröbst S. 265 ff.; ferner Triepel, Völkerrecht und 
Landesrecht (Leipzig 1899) S. 236 f. Anschütz, Enzyklopädie S. 617 fg.
	        
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