Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

14 8 54. Der Begriff und die Erfordernisse des Gesetzes. 
eines Gesetzes noch an andere Voraussetzungen als an den persönlichen 
Willen des Monarchen geknüpft ist, kann die Beurkundung des Gesetzes 
nur erfolgen, wenn das Vorhandensein dieser Voraussetzungen fest- 
gestellt wird. Die Erklärung des Gesetzes ist in diesem Falle nicht 
nur eine authentische Beurkundung seines Wortlautes, sondern zugleich 
eine formelle Konstatierung, daß die verfassungsmäßigen Vorbeding- 
ungen des Gesetzgebungswillens erfüllt sind. 
Die Erklärung des Gesetzes erhält alsdann eine weittragende staats- 
rechtliche Bedeutung; sie bildet ein Erfordernis für das Zustande- 
kommen eines Gesetzes, welches man ebensowohl von der Sanktion 
wie von der Verkündigung unterscheiden muß. In der deutschen 
Rechtsliteratur ist dieses Erfordernis durchweg unbeachtet geblieben ; 
man verlangt für die Gesetzgebung einfach Sanktion und Publikation. 
So wie man die Sanktion zusammenwirft mit der ihr vorangehenden 
Feststellung des Gesetzesinhaltes, so vermengt man die Verkündigung 
mit der ihr vorangehenden formellen Erklärung (Beurkundung) des 
Gesetzesbefehls. 
Das ältere deutsche Reichsstaatsrecht hat den Akt, 
durch welchen das rechtsgültige Zustandekommen eines Reichsgesetzes 
konstatiert wird, in höchst sorgfältiger Weise ausgebildet. Bekanntlich 
wurden alle auf einem Reichstage zustande gekommenen Gesetze am 
Schluß des Reichstages zusammengefaßt). Die Redaktion des Reichs- 
abschiedes lag dem Reichskanzler ob, jedoch unter Mitwirkung einer 
Deputation der Stände, welche aus Mitgliedern aller Kollegien gebildet 
wurde, und eines oder zweier Kommissare des Kaisers. Die Urkunde 
wurde in zwei Exemplaren auf Pergament ausgefertigt, von denen 
eines für die Reichskanzlei, das andere für den Reichshofrat bestimmt 
war. Beide Urkunden wurden vom Kaiser und den Ständen unter- 
zeichnet und untersiegelt; die Lehre von der subscriptio und obsignatio 
1) Das letzte formelle Reichsgesetz ist daher der Reichsabschied von 1654. 
Während des Regensburger permanenten Reichstages kam ein eigentliches Reichs- 
gesetz nicht mehr zustande. Alle Anordnungen des Reiches bestanden vielmehr 
formell aus zwei getrennten Akten, dem übereinstimmenden Beschluß der drei Kolle- 
gien des Reichstages (Commune trium oder Reichsgutachten), welches vom Kurfürsten 
von Mainz als Reichserzkanzler ausgefertigt und dem Kaiser übersendet wurde, und 
der kaiserlichen Ratifikationsurkunde (Kommissionsdekret oder Hofdekret). Vgl. 
Pütter, elementa juris publ. Germanici I, $ 226 sq., woselbst zugleich Beispiele 
mitgeteilt sind; Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, $ 154 ff. 
(S. 515—526); Gönner, Teutsches Staatsrecht $ 188, 189. Um die Gesetzgebungs- 
formen des Deutschen Reichs zu ermitteln, muß man daher in die Zeit vor 1654 zu- 
rückgehen. Die Hauptquelle hierfür ist eine im Jahre 1582 verfaßte und öfters ge- 
druckte Schrift: „Ausführlicher Bericht, wie es auf Reichstägen pflegt gehalten zu 
werden“, besonders Kap. 13. (Sie steht bei Goldast, Reichshändel P. XXIL) Vgl. 
ferner Limnäus, Jus public. T. II, Lib. IX, cap. 1, nro. 192 sq.; Pfeffinger, 
Vitriar. illustr. Tom. IV, Lib. IV, cap. 1, nro. 83sq. und am ausführlichsten Moser, 
Teutsches Staatsrecht Bd. 50, S. 253 ff., woselbst umfassende Auszüge aus den älteren 
Schriften gegeben sind.
	        
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