Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

182 8 64. Der Begriff der Verwaltung. 
mune Beschlüsse über ihre Angelegenheiten faßt. Es ist damit keines- 
wegs gesagt, daß die Geschäftsordnung, welche die Verwaltung sich 
selbst gibt, für die Staatsangehörigen unerheblich oder gleichgültig 
sei; tatsächlich gereicht ihnen dieselbe zum Nutzen oder zum Schaden, 
und das Interesse, welches die einzelnen an den Einrichtungen 
der Verwaltung haben, kann möglicherweise ein sehr dringendes sein; 
aber deshalb braucht es nicht zum Recht gestaltet und als solches 
geschützt zu sein. Die Verletzung einer Verwaltungsvorschrift seitens 
eines Beamten kann Anlaß zu einer Beschwerde geben; dieselbe hat 
aber nur den Charakter einer Anzeige an die vorgesetzte Behörde. 
Die letztere kann nach freiem Ermessen auf Grund derselben tun, 
was ihr gut dünkt. Die Verletzung einer Rechtsvorschrift dagegen be- 
gründet — selbst wenn der Rechtsweg bei den Gerichten ausgeschlossen 
ist — eine Beschwerde, die den Charakter eines Rechtsmittels hat und 
eine Entscheidung in dem oben S. 178 erörterten Sinne erfordert '). 
Von diesen Erwägungen aus ergibt sich, warum Reglements, In- 
struktionen und Dienstanweisungen trotz der Allgemeinheit der in 
ihnen enthaltenen Regeln keine Rechtsvorschriften sind. Aber ebenso 
ist ein Gesetz, welches die Anlage eines Kanals oder einer Eisenbahn, 
die Aufnahme einer Anleihe, die Veranstaltung einer Ausstellung, einer 
Nordpolfahrt, einer wissenschaftlichen Untersuchung usw. vorschreibt, 
ein Akt der Verwaltung, nicht der Rechtsordnung; denn es wird keiner- 
lei Rechtsbeziehung zwischen dem verwaltenden Staat und einem 
anderen ihm gegenüberstehenden Rechtssubjekt dadurch geregelt. 
Wenn im Vorhergehenden der begriffliche Gegensatz zwischen 
Rechts- und Verwaltungsvorschriften dargelegt ist, so ist doch die 
Schwierigkeit noch nicht vollkommen gelöst. Es gibt nämlich sehr 
zahlreiche Vorschriften über die Erledigung staatlicher Geschäfte, welche 
nach ihrem Inhalte eine doppelte Auffassung zulassen; sie 
können gedacht werden als bloße Instruktionen für Behörden und 
Beamte, sie können aber auch in dem Sinne aufgefaßt werden, daß 
dadurch Dritten Rechte oder Pflichten erwachsen ?.. Das Interesse, 
welches die Untertanen an einer gewissen Art der Geschäftserledigung 
haben, kann zum Recht erhoben sein oder auch nicht. Ob nun 
das Eine oder das Andere gewollt ist, muß durch Interpretation fest- 
gestellt werden, und es ist bereits oben S. 63 darauf hingewiesen wor- 
den, daß z. B. auch in den eigentlichen Justizgesetzen Regeln von bloß 
instruktionellem Charakter vorkommen. Wenn aber der Wortlaut 
und Zusammenhang der Vorschrift darüber keine Gewißheit gewährt, 
so bietet in der Tat die Form des Erlasses ein in den meisten Fällen 
untrügliches Kennzeichen. Die Form der Verordnungist an 
und für sich nicht geeignet zum Erlaß von Rechtsvorschriften, falls 
1) Rosin S. 30. 
2) Vgl. Seligmann S. 101ff.; Jellinek, System der subjektiven Rechte 
S. 227 ff.
	        
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