Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

$ 65. Die Formen der Verwaltungsakte. 193 
Staat in eine rechtliche Berührung mit seinen Untertanen, seien es 
nun einzelne oder Körperschaften, denen gegenüber das staatliche 
Herrschaftsrecht sich entfaltet; dagegen bleiben von dem hier in Rede 
stehenden Begriff ausgeschlossen alle Akte, welche nur innerhalb 
der Verwaltung selbst wirken. 
Die Verfügung ist ein Rechtsakt, sie muß deshalb auch nach 
Inhalt und Form gewissen Erfordernissen des Rechts entsprechen. 
a) DerInhalt der Verfügung. Der in der Verfügung ent- 
haltene Befehl muß rechtlich begründet sein, d. h. die Befugnis des 
Staates, Jemandem etwas zu befehlen oder zu verbieten, zu gewähren 
oder zu entziehen usw., von welcher die Verfügung Anwendung 
macht, muß durch einen Rechtssatz anerkannt sein. Die dem Staats- 
bürger obliegende Gehorsamspflicht ist im modernen Staate keine un- 
gemessene, deren Umfang durch das Belieben der Regierung bestimmt 
werden könnte. Dies ist nicht einmal für den Fall eines Notstandes 
zuzugeben; es besteht im heutigen Recht kein ius eminens des Staates, 
welches für die Zeit der Not aus dem Staatsbürger einen Staatssklaven 
machen würde, sondern zu jeder Zeit und unter allen Verhältnissen 
sind die Rechte der Staatsgewalt gegen den Einzelnen durch Rechts- 
sätze anerkannt und deshalb beschränkt. Jeder Verwaltungsbefehl 
muß daher auf einem Gesetze beruhen, welches die Regierung mit der 
Befugnis ausstattet, eine derartige Leistung, Handlung oder Unterlas- 
sung von den Untertanen zu verlangen. Es gilt dies ausnahmslos und 
findet nicht bloß auf die Einforderung von finanziellen oder militäri- 
schen Leistungen, sondern in demselben Umfange auf alle polizei- 
lichen Gebote und Verbote Anwendung!) Die Frage, ob eine Ver- 
fügung einen Befehl enthält, zu dessen Erlaß die Regierung befugt ist 
oder nicht, ist eine reine Rechtsfrage und ist immer einzig und 
allein durch eine juristische Erwägung, durch die logische Subsumie- 
1) Uebereinstimmend Ulbrich S.6, Note 22; Rosin S.16fg.; Gareis S. 97, 
184, Note 3; Zorn], 276; Löning, Verwaltungsrecht S. 241; Schulze I, 623, 
634; Arndt, Verordnungsrecht S. 225. Widerspruch hat G. Meyer in Hirths An- 
nalen 1878, S. 383 erhoben; im Staatsrecht 8 178, Note 2 aber hat er doch anerkannt, 
daß die Befugnis der Polizei, Gebote und Verbote zu erlassen, auf einem Rechts- 
satz beruhen müsse, und nur den Vorbehalt gemacht, daß dieser Rechtssatz auch 
im Gewohnheitsrecht beruhen könne, was richtig, aber bei dem heutigen Zustande 
der Gesetzgebung auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts belanglos ist. Völlig ent- 
gegengesetzter Ansicht ist v. Sarwey S. 382, dessen Ausführungen bereits von R o- 
sin in Schmollers Jahrbuch IX, S. 308 widerlegt worden sind. Wenn Sarwey den 
in der neueren Rechtswissenschaft fast allgemein anerkannten und in sämtlichen 
neueren Verfassungen und Gesetzgebungen vorausgesetzten uud zugrunde liegenden 
Grundsatz als „eine Behauptung des die Freiheit seiner Selbstbestimmung im Kampfe 
gegen die Verwaltung verfolgenden Individualismus“ ausgiebt, so kann man wohl 
mit ebenso großem Rechte die von ihm aufgestellte Behauptung als das Verlangen 
eines machtbegierigen Ministerialdespotismus bezeichnen. Vgl. Anschütz im Preuß. 
Verwaltungsbl. XXIL, S. 84 und in der Anm. 3 zu 8 178 der 6. Aufl. des Staatsr. von 
G. Meyer; ferner Thoma, Polizeibefehl I, S. 102 fg.; Fleiner S. 158.
	        
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