208 8 66. Reichsverwaltung und Staatsverwaltung.
schrieben sein; aber eine solche Bekanntmachung ist etwas durchaus
anderes als die Verkündigung eines Gesetzes oder einer Rechtsverord-
nung. Ebenso hat die Veröffentlichung von Verwaltungsverordnungen
des Bundesrates im Zentralblatt des Deutschen Reiches keine andere
Bedeutung, wie sie etwa dem Abdruck der Erkenntnisse des Reichs-
gerichts in den von den Räten desselben herausgegebenen »Entschei-
dungen« zukommt.
3. Die Ueberwachung der Ausführung der Reichsgesetze steht
dem Kaiser zu (Reichsverfassung Art. 17). Er übt diese Ueberwa-
chung aus durch den Reichskanzler und die demselben unterstellten
obersten Behörden des Reiches oder durch Kommissare. Das Recht
der Ueberwachung enthält die Befugnis, von der Geschäftsführung der
Einzelstaaten eine vollkommene und eingehende Kenntnis zu nehmen
und zu diesem Zwecke den Behörden der Einzelstaaten entweder Kom-
missare des Reiches beizuordnen, wie dies auf dem Gebiete der Zoll-
und Steuerverwaltung geschieht, und Inspektionen vorzunehmen, wie
dies hinsichtlich der Heereskontingente im Art. 63, Abs. 3 der Reichs-
verfassung vorgesehen ist, oder von den Bundesregierungen Berichte
zu erfordern. Dem Recht des Kaisers zur Ueberwachung der Bundes-
regierungen entspricht die Pflicht der Bundesregierungen zur Be-
richterstattung an die Reichsregierung. Es ist selbst-
verständlich, daß auch jedes andere erlaubte Mittel, um von der Tältig-
keit der Bundesregierungen zur Ausführung der Reichsgesetze Kennt-
nis zu erlangen, neben der Berichterstattung anwendbar ist. Findet
der Kaiser, d. h. sein Minister, der Reichskanzler, daß die Ausführung
eines Reichsgesetzes mangelhaft oder unrichtig ist, so steht ihm die
Befugnis zu, die betreffende Regierung darauf aufmerksam zu machen
und sie zur Abhilfe aufzufordern. Wenn die Regierung des Einzel-
staates aber das von ihr und ihren Behörden eingehaltene Verfahren
für dem Reichsgesetz gemäß erachtet und der von der Reichsregie-
rung dem Gesetz gegebenen Auslegung widerspricht, so hat der Bun-
desrat den Streit zu entscheiden. Vgl. Bd. I S. 107 ff.; 258 ff.
4. Die unmittelbare Verwaltung ist die Sache der Einzelstaaten.
Sie führen dieselbe nicht kraft Auftrages des Reiches oder als Organe
desselben, sondern kraft eigenen Rechtes und im eigenen Namen.
Aus diesem Grundsatz ergeben sich drei wichtige Folgerungen :
a) Die Verträge, welche die Behörden der Einzelstaaten bei
Gelegenheit dieser Geschäftsführung abschließen, verpflichten und be-
rechtigen nicht den Reichsfiskus, sondern .den Landesfiskus. Es kann
wohl sein, daß die Verwaltungsgeschäfte für Rechnung des Reiches
geführt werden, so daß dem Landesfiskus die von ihm gemachten
Zahlungen aus der Reichskasse erstattet werden; dem Dritten gegen-
über ist aber der Landesfiskus zur Erfüllung obligiert, da nicht
im Namen und in Stellvertretung des Reiches, sondern im Namen des
Gliedstaates kontrahiert worden ist. Für die Frage der Prozeßlegitima-