Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

8 68. Das Reichsland. Die Organisation des Reichslandes. 259 
Eisenbahnhoheit ist aber von der Verwaltung und dem Betrieb der 
Reichsbahnen nicht zu trennen; »eine anderweitige Ordnung würde — 
wie die Motive zum Verfassungsgesetz sagen — mit der dem Reiche 
zukommenden staatsrechtlichen Stellung nicht vereinbar sein, dieses 
vielmehr in die Stellung eines Konzessionärs des Landes herabdrücken 
und ihm die Erfüllung seiner Aufgaben erschweren«. Die Ausübung 
aller in der sogen. Eisenbahnhoheit enthaltenen Rechte mußte daher 
den Organen des Reichs verbleiben. 
Andererseits sind mit dem Bau und Betrieb der Eisenbahnen 
schwerwiegende Verkehrsbedürfnisse und polizeiliche Interessen ver- 
bunden, deren Wahrnehmung den Behörden der Landesverwaltung 
obliegt. Aus dieser auf keiner Seite festbegrenzten Zuständigkeit der 
Reichs- und Landesbehörden ergaben sich Zweifel und Meinungsver- 
schiedenheiten, welche zwar praktisch durch gegenseitiges Entgegen- 
kommen erledigt wurden, aber eine bestimmtere gesetzliche Regelung 
wünschenswert erscheinen ließen. Eine solche ist jetzt durch $ 24 
des Verfassungsgesetzes in folgender Weise erfolgt. 
Das Reich hat in Elsaß-Lothringen das Eisenbahn-Monopol. 
Eisenbahnen, die dem öffentlichen Verkehr dienen, dürfen nur vom 
Reich selbst oder mit dessen Zustimmung gebaut werden. Es ist also 
nicht ausgeschlossen, daß auch das Land, die Bezirke, Städte, Aktien- 
gesellschaften und Privatpersonen Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen 
bauen und betreiben; aber sie bedürfen dazu der Genehmigung der 
Reichsbehörde. Tatsächlich sind alle wichtigen Eisenbahnlinien im 
Eigentum und Betrieb des Reichs. Ueber diejenigen Eisenbahnen, 
welche das Reich nicht selbst baut oder betreibt, enthält das Gesetz 
keine Bestimmungen; bei der Erteilung der Zustimmung können die 
Rechte des Reichs und die Befugnisse der Reichseisenbahnbehörden 
für jeden einzelnen Fall festgestellt werden. Die Zustimmung kann 
nach freiem Ermessen erteilt oder versagt werden und es bedarf keiner 
Darlegung der Gründe, aus welchen sie versagt wird. Im übrigen ist 
die Kompetenz der Landesbehörden nicht beschränkt; die Konzession 
wird von ihnen erteilt und die staatliche Aufsicht von ihnen geführt. 
Dies gilt insbesondere von Straßenbahnen, Stadtbahnen und ähnlichen 
Anlagen. 
Soweit aber das Reich selbst Eisenbahnen baut oder betreibt, steht 
die Ausübung der auf den Bau und Betrieb der Eisenbahnen sich be- 
ziehenden Rechte der Reichsverwaltung zu. Dahin gehört die Fest- 
setzung des Planes der Anlage in allen Einzelheiten und die Ab- 
grenzung des Bahnkörpers, die Feststellung der Erforderlichkeit und 
des Umfangs der Enteignung, die Ausübung der nach dem Landesrecht 
zur Ausführung öffentlicher Unternehmungen gegebenen Zwangsrechte, 
die Bahnpolizei und die Befugnisse, welche den Eisenbahnverwaltungen 
nach der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung vom 4. Nov. 1904 
(RGBl. S. 387) und der Verkehrsordnung vom 23. Dez. 1908 (RGBl.