Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

274 8 70. Die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete. 
5. Die Marschall-Brown- und Providence-Inseln. 
Bereits am 29. November 1878 wurde von den Oberhäuptlingen von 
Jaluit der dortige Hafen an Deutschland als Kohlenstation abgetreten 
mit der Vereinbarung, daß keiner anderen Nation gleiche oder ähn- 
liche Rechte zugestanden werden sollen. Deutsche Firmen hatten auf 
diesen Inseln Niederlassungen und Faktoreien errichtet und Grund- 
stücke erworben. Im Oktober 1885 wurde durch den Kommandanten 
des Kriegsschiffes »Nautilus« auf allen wichtigen Plätzen der Insel- 
gruppe die deutsche Flagge gehißt, nachdem mit den bedeutenden 
Häuptlingen Verträge abgeschlossen worden waren !). Die Inseln sind 
äußerst schwach bevölkert, zum Teil unbewohnt; die Eingeborenen 
sind völlig unzivilisiert, selbst die Anfänge einer etwas höheren Kul- 
tur, die früher bestanden zu haben scheint, sind verloren gegangen ?). 
Die Kosten der Verwaltung dieser Länder hat die Jaluitgesell- 
schaft in Hamburg übernommen. Durch kaiserliche Verordnung 
vom 18. Januar 1906 (RGBl. S. 138) ist das Schutzgebiet mit dem der 
Karolinen, Palau und Marianen vereinigt worden. 
6. Kiautschou. Durch den Staatsvertrag vom 6. März 1898 °) 
verpflichtete sich der Kaiser von China, beide Seiten des Eingangs der 
Bucht von Kiautschou pachtweise, vorläufig auf 99 Jahre, an Deutsch- 
land zu überlassen (Art. II). Zugleich verzichtete die chinesische Re- 
gierung darauf, im verpachteten Gebiete während der Pachtdauer 
Hoheitsrechte auszuüben und übertrug die Ausübung der Hoheits- 
rechte dem Deutschen Reich. Die Grenzen dieses Gebietes, welches 
die Wasserfläche der Bucht von Kiautschou und die ihr vorgelagerten 
Inseln mit umfaßt, sind im Art. III des Vertrages näher bezeichnet. 
Deutschland ist berechtigt, »in gelegener Zeit« auf diesem Gebiete Be- 
festigungen zum Schutze der baulichen Anlagen und der Einfahrt des 
Hafens zur Ausführung zu bringen. Sollte Deutschland später ein- 
mal den Wunsch äußern, die Kiautschoubucht vor Ablauf der Pacht- 
zeit an China zurückzugeben, so ist China verpflichtet, die Aufwen- 
dungen, welche Deutschland in Kiautschou gemacht hat, zu ersetzen 
und einen besser geeigneten Platz Deutschland zu gewähren (Art. V, 
Abs. 1). Der in dem Pachtgebiet wohnenden chinesischen Bevölke- 
rung soll, vorausgesetzt, daß sie sich den Gesetzen und der Ordnung 
entsprechend verhält, jederzeit der Schutz der deutschen Regierung zu- 
teil werden, sie ist also der deutschen Gerichtsbarkeit 
unterworfen (Art. V, Abs. 3 und 4). In einer Zone von 50 Kilo- 
meter im Umkreise von der Kiautschoubucht soll der freie Durch- 
marsch deutscher Truppen zu jeder Zeit gestattet sein; jedoch hat der 
1) Deutsche Kolonialzeitung Bd. 2, S. 759. 
2) Vgl. den Jahresbericht des kaiserl. Kommissars im deutschen Kolonialblatt 
1893, S. 383. 
3) Abgedruckt im Reichsanzeiger vom 29. April 1898 und im Marineverordnungs- 
blatt von 1898, Nr. 11, S. 147.
	        
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