Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

306 $ 70. Die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete. 
ster Instanz dem Staatssekretär des Reichsmarineamts unterstellt ist. 
Sie besteht zur Zeit aus dem dritten Seebataillon, der Matrosen-Ar- 
tillerieabteilung Kiautschou und dem sonstigen militärischen Per- 
sonal des Gouvernements . Für die Befestigungen in Kiautschou ist 
ferner eine Artillerieverwaltung in Tsintau errichtet worden ?). Wehr- 
pflichtige Reichsangehörige können bei den Marineteilen in Kiautschou 
zur Ableistung ihrer aktiven Dienstpflicht als Freiwillige eingestellt 
werden ?). Die für die Marine geltenden Vorschriften finden auch auf 
die Besatzung von Kiautschou Anwendung ‘). 
XI. Das Finanzwesen der Schutzgebiete ist durch folgende 
Rechtssätze geregelt: 
1. Da dem Kaiser die Schutzgewalt ohne Einschränkung über- 
tragen ist und er sie ohne Mitwirkung von Bundesrat und Reichstag 
ausübt, so ist er befugt, einerseits Zoll- und Steuerverordnungen zu 
erlassen, Gebühren festzusetzen und andere Einnahmequellen durch 
Verordnungen zu eröffnen, andererseits alle Ausgaben für die Verwal- 
tung zu bestimmen, indem er die Organisation derselben, das Dienst- 
einkommen der Beamten, die Aufgaben und Geschäfte der Verwaltung 
usw. anzuordnen befugt ist. Das Recht des Kaisers zur Regelung 
der Finanzwirtschaft findet jedoch eine Schranke teils in dem Recht 
des Bundesrats und Reichstages zur Mitwirkung an der Feststellung 
des Etats der Schutzgebiete, teils in Südwestafrika, Kamerun und 
Togo an den den Häuptlingen in den Schutzverträgen zugesicherten 
Rechten zur Forterhebung gewisser Einkünfte’). Soweit durch Reichs- 
gesetze Anordnungen getroffen sind, welche die Finanzen der Schutz- 
gebiete berühren, wie z. B. durch das Kolonialbeamtengesetz und die 
Gesetze über die Schutztruppen, ist durch ihre formelle Gesetzeskraft 
ihre Abänderung durch kaiserliche Verordnung ausgeschlossen. Auch 
die Vereinbarungen der Kongoakte Art. 14—16, welche in dem kon- 
ventionellen Kongobecken den Freihandel durch den Ausschluß von 
Durchgangszöllen und Schutzzöllen sichern, bilden in einem Teile des 
ostafrikanischen Schutzgebietes eine Beschränkung der Einführung von 
Zöllen und Abgaben ®). 
  
1) Erlaß vom 17. August 1898. Marineverordnungsbl. 1898, Nr. 22, S. 295. Zim- 
mermann IV, S. 172. Ordre v. 31. Mai 1905 (Kolonialgesetzgeb. IX, S. 293. Sassen 
S. 30 fg. 
2) Erlaß vom gleichen Tage. Marineverordnungsbl. 1898, S. 304. Zimmermann IV, 
S. 181. 
3) Erlaß vom 27. Februar 1899. Marineverordnungsbl. 1899, Anhang zu Nr. 5. 
Zimmermann IV, S. 185. 
4) Die militärische Strafrechtspflege in Kiautschou ist geregelt durch das Reichs- 
gesetz vom 25. Juni 1900 (RGBl. S. 304), dessen Gültigkeit bis zum 1. Januar 1912 
dauert (Reichsges. vom 21. Dez. 1905, RGBl. S. 793). 
5) Nähere Angaben bei Jo&lS. 213. 
6) Näheres bei v. Stengel, Annalen 1895, S. 730. Die Kongoakte ist ergänzt 
und abgeändert durch die Brüsseler Deklaration vom 2. Juli 1890, Abs. 2 (RGBl. 1892,
	        
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