& 75. Das Bankwesen. 167
Die bei Erlaß des Bankgesetzes bestehenden Notenbanken hatten
bis zum 1. Januar 1876 demnach die Wahl, entweder unter den bis-
her für sie bestehenden Vorschriften, aber unter Beschränkung auf das
Gebiet des Staates, der sie privilegiert hat, ihr Geschäft fortzutreiben,
oder für ihre Noten die Umlaufsfähigkeit im ganzen Reichsgebiete zu
erlangen, dafür aber sich den Beschränkungen des 8 44 des Bankge-
setzes zu unterwerfen.
Von den 32 Privatnotenbanken, welche bei Erlaß des Bankgesetzes
bestanden, haben 28 Banken auf das Recht zur Ausgabe von Bank-
noten ganz verzichtet. Die übrigen ') haben sich den Vorschriften des
& 44 des Bankgesetzes unterworfen.
III. Aus den vorstehenden Erörterungen ergeben sich nun die
Prinzipien, aus denen sich die dem Reiche gegen die Privat-
banken zustehenden Hoheitsrechte ableiten und erklären.
Sie beruhen auf zwei staatsrechtlichen Grundsätzen. Der erste derselben
besteht in dm Verbot an die Einzelstaaten, Notenprivile-
gien zu erteilen ?) oder die bestehenden zu erweitern, zu verlängern,
von Beschränkungen und Bedingungen zu befreien, sei es ausdrücklich,
sei es stillschweigend durch Nichtausübung des Aufsichtsrechtes. Der
zweite besteht darin, daß alle Banken, deren Noten im ganzen Reichs-
gebiet umlaufen dürfen, nicht bloß von dem Einzelstaat, in dem sie
ihren Sitz haben, sondern zugleich von dem Reichihr Noten-
privilegium erhalten haben; denn der Einzelstaat konnte
dieses Privilegium nur für sein Gebiet erteilen; die Erweiterung des
Umlaufsgebietes ist eine Erweiterung des Privilegiums oder vielmehr
die Verleihung eines erweiterten Privilegiums von seiten des Reiches.
Deshalb stehen dem Reiche den Privatbanken gegenüber diejenigen
Befugnisse zu, welche nach allgemeinen Grundsätzen dem Staat, der
ein Privileg erteilt hat, gegen den Privilegierten zukommen, nämlich
die Beaufsichtigung des Gebrauchs und die Entziehung des Privilegs
wegen Mißbrauches. Zugleich bestimmt sich hiernach auch das Kom-
petenzverhältnis zwischen Reich und Einzelstaat rücksichtlich der Ho-
heitsrechte über die Privatnotenbanken.
Im einzelnen gelten demgemäß folgende Sätze:
1. Den Einzelstaaten verbleibt die Aufsicht über die von ihnen
privilegierten Notenbanken nach Maßgabe der Landesgesetze, Bank-
statuten und Privilegien ?). Außerdem aber ist das Reich ebenfalls zur
ist ihren Noten der Umlauf und ihr der Betrieb von Bankgeschäften im ganzen
Reichsgebiet unter erleichterten Bedingungen gestattet. Bankgesetz $ 44, Abs. 4.
1) Außer der Reichsbank bestehen zurzeit nur noch folgende Notenbanken:
1. Die Bayerische Notenbank; 2. die Sächsische Bank zu Dresden; 3. die Württem-
bergische Notenbank; 4. die Badische Bank.
2) Ueber das Sonderrecht Bayerns zur Ausgabe von 70 Mill. Mark Banknoten
siehe S. 161, Note 5.
3) Bankgesetz $ 48, Abs. 2.