$ 76. Das Münzwesen. 177
Auch der Erlaß eines derartigen Rechtssatzes ist den Einzel-
staaten entzogen und dem Reich vorbehalten. Der Bundesrat
ist befugt, den Umlauf fremder Münzen entweder gänzlich zu untersagen
oder sie zu tarifieren, d. h. einen Maximalwert zu bestimmen, über
welchen hinaus sie nicht in Zahlung angeboten und gegeben werden
dürfen‘). Gewohnheitsmäßige oder gewerbsmäßige Zuwiderhandlungen
gegen die vom Bundesrat getroffenen Anordnungen werden mit Geld-
strafe bis zu 150 Mk. oder mit Haft bis zu 6,Wochen bestraft. Die
vereinzelte gelegentliche Verwendung einer verbotenen Münze als
Zahlungsmittel ist nicht strafbar. Das Verbot bezieht sich ferner nur
auf diejenigen Fälle, in welchen die verbotene Münze anstatt
Geldes angeboten und gegeben wird; dagegen bleiben alle Geschäfte,
in welchen die Münze als Ware behandelt wird, von demselben ganz
unberührt ?).
Diejenigen fremden Münzen, deren Umlauf nicht ver-
boten ist, können auch bei Reichs- und Landeskassen in Zahlung
angeboten werden, was namentlich bei Eisenbahn- und Postkassen an
Grenzstationen von Reisenden, die aus dem Auslande konımen, bei
Zoll- und Steuerkassen usw. nicht selten vorkommt. In einem solchen
Falle steht es dem Fiskus, wie jedem anderen Zahlungsempfänger, dem
Rechte nach frei, nach Belieben zu bestimmen, ob er eine solche
Münze überhaupt annehmen wolle, und zu welchem Werte. Denn es
handelt sich dabei um ein Geschäft, dessen Bedingungen von den
Parteien vereinbart werden, nicht um Anwendung eines Rechtssatzes
oder Erfüllung einer Rechtspflicht. Die Verwaltung befindet sich daher
hier auf dem Gebiete der Handlungsfreiheit. Wie aber bereits Bd. 2,
S. 197 fg. ausgeführt wurde, besteht die Handlungsfreiheit der Verwal-
tung nicht darin, daß jeder einzelne Beamte nach eigenem Er-
messen handeln kann, sondern daß das Verhalten der Beamten und
Behörden durch Instruktionen oder Dienstanweisungen, d.h. nicht
durch Rechtsvorschriften, sondern durch Verwaltungsvorschriften, ge-
regelt wird. Gerade in dem erwähnten Falle würde es von den äußersten
Uebelständen begleitet sein, wenn jeder einzelne Kassenbeamte darüber
1) Münzgesetz von 1909, $ 14, Ziff. 3.
2) Von dem Verbote sind folgende Münzen betroffen worden: die österreichi-
schen und ungarischen Ein- und Zweiguldenstücke sowie die niederländischen Ein-
und Zweieinhalb-Guldenstücke (V. vom 22. Januar 1874, Reichsgesetzbl. S. 12); die
niederländischen Halbguldenstücke sowie die österreichischen und ungarischen Vier-
telguldenstücke (V. vom 29. Juni 1874, Reichsgesetzbl. S. 111); die polnischen Ein-
drittel- und Einsechstel-Talarastücke (V. vom 26. Februar 1875, Reichsgesetzbl. S. 134);
die Münzen des Konventionsfußes österreichischen Gepräges und die Silber- und
Kupfermünzen dänischen Gepräges (V. vom 19. Dezember 1874, Reichsgesetzbl. S. 152);
die finnischen Silbermünzen (V. vom 16. Oktober 1874, Reichsgesetzbl. S. 126); sämt-
liche fremde Scheidemünzen (V. vom 16. April 1888, Reichsgesetzbl. S. 149), jedoch
mit Ausnahmen für einzelne Grenzbezirke (Reichsgesetzbl. 1888, S. 149, 171, 218;
1889, S. 37, 38; 1893, S. 6; 1895, S. 463).