188 8 76. Das Münzwesen.
ist überhaupt gar kein Rechtsbegriff, und es ist ein ganz vergebliches
Bemühen, Rechtssätze, unter welchen er steht, aufzustellen '. Er um-
faßt einerseits Geld, andererseits Schuldscheine der verschieden-
sten Arten, welche nur das gemein haben, daß sie darauf eingerichtet
sind, leicht zirkulieren zu können, d. h., daß sie auf Inhaber gestellt
sind, auf eine festbestimmte (unverzinsliche) Geldsumme lauten, und
daß sie nicht an einem bestimmten Tage fällig werden, sondern daß
der Emittent verspricht, sie jederzeit an gewissen Kassen entweder in
Zahlung zu nehmen oder gegen Geld umzutauschen ?). Auf dem Glau-
ben und der Hoffnung, daß dies wirklich geschehen werde, beruht die
Geneigtheit des Publikums, sie anstatt Geldes in Zahlung zu
nehmen, und darauf wieder beruht ihre tatsächliche Verwendung an
Stelle des Geldes. Sie repräsentieren Forderungsrechte resp. Schuldver-
sprechungen; ihr Wert beruht nicht auf einem Rechtssatz, sondern
auf der Zahlungsfähigkeit des Schuldners, also auf einer Tatsache. Zu
dem Papiergelde in diesem Sinne gehören insbesondere auch Bank-
noten; die Pflicht sie einzulösen unterscheidet sie vom wirklichen
Gelde.
Die Gesetzgebung hat den Ausdruck Papiergeld aber vielfach nicht
bloß in dem juristischen, sondern auch in dem unjuristischen Sinne
angewendet, freilich stets auf Kosten der Klarheit und Deutlichkeit.
Dies gilt auch von der Reichsgesetzgebung?). Die Reichsverfassung
Art. 4, Ziff. 3 überweist dem Reiche: »Die Feststellung der Grundsätze
über die Emission von fundieriem und unfundiertem Papiergelde.«
Die Zusammenstellung mit der Ordnung des »Maß-, Münz- und Ge-
wichtssystems« *) in derselben Ziffer des Artikels und die Trennung
von dem Bankwesen (Banknoten) lassen darauf schließen, daß das
Papiergeld mit dm Münzsystem in Zusammenhang gedacht wer-
den soll, daß das Wort also im juristischen Sinne zu verstehen sei;
die Hinzufügung der Worte »fundiert und unfundiert«, die für wirk-
liches Papiergeld keinen Sinn haben, deutet aber darauf hin, daß das
Wort Papiergeld an dieser Stelle auch gewisse Inhaberobligationen
(Geldpapiere) mit umfassen soll, und die vom Reiche auf Grund dieser
Bestimmung erlassenen Gesetze betreffen auch in der Tat nicht bloß
das Papiergeld, sondern auch die Emission von Schuldscheinen.
2. Das Reich hat den Bundesstaaten die Ausgabe von Papiergeld
1) Dies ist freilich sehr oft versucht worden, so namentlich mit dem größten
Aufwande von Gelehrsamkeit von Goldschmidt, Handbuch des Handelsr. Bd. 1, 2,
S. 1071—1231, besonders S. 1197 ff.
2) Bekker und Thöl nennen diese Papiere im Unterschied vom Papiergeld
im juristischen Sinne ganz treffend: „Geldpapiere*.
3) Vgl. auch Thöla. a. O. S. 36, 37.
4) Mit welchem Mangel an Redaktionskunst die Reichsverfassung formuliert ist,
kann man auch an dieser Stelle sehen, wo das „Maß- und Gewichtssystem“ durch
das dazwischen eingesprengte Münzsystem auseinander gerissen ist.