Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

$ 77. Das Maß- und Gewichtswesen. 195 
nach Handelsgebrauch oder den tatsächlichen Umständen deutlich er- 
kennbar ist, in zweiter Reihe nach der vom Reich erlassenen Maß- 
und Gewichtsordnung. 
2. Die Verwaltungsbehörden des Reiches und der Einzel- 
staaten haben in ihrer amtlichen Tätigkeit das vom Reiche anerkannte 
Maß- und Gewichtssystem zur Anwendung zu bringen; so müssen z. B. 
die Wegeverwaltungen die Entfernungsangaben in Kilometern, die 
Katasterbehörden die Grundstücksgrößen in Aren ausdrücken usw. 
3. Die Eichungsämter der Einzelstaaten dürfen Maße und 
Gewichte nicht stempeln, wenn diese nicht den in der Maß- und 
Gewichtsordnung zugelassenen Größen entsprechen'). Dieser Satz, 
verbunden mit dem Verbot ungestempelter Maße und Gewichte, ent- 
hält den Schwerpunkt der reichsgesetzlichen Regelung des Maß- und 
Gewichtswesens. DieEinführung und Sicherung der Maß- 
und Gewichtseinheitberuht juristisch auf der Kom- 
bination zweier Verbote; das eine Verbot ist an die Einzel- 
staaten gerichtet und untersagt denselben die Eichung anderer als in 
der Maß- und Gewichtsordnung zugelassener Maße und Gewichte; das 
andere Verbot ist an die Untertanen gerichtet und untersagt denselben 
den Gebrauch anderer als obrigkeitlich geeichter Maße und Gewichte. 
Das an die Einzelstaaten gerichtete Verbot findet seine rechtliche 
Garantie in der dem Reiche zustehenden Oberaufsicht und in der Ver- 
antwortlichkeit der Beamten für die Gesetzmäßigkeit ihrer amtlichen 
Handlungen. 
4. „Zum Messen und Wägen im öffentlichen Verkehre, sofern da- 
durch der Umfang von Leistungen bestimmt werden soll, dürfen nur 
geeichte Maße, Gewichte und Wagen angewendet und bereit gehalten 
werden.« (86, Abs. 1.)?). 
a) Während die alte Maß- und Gewichtsordnung das Verbot un- 
geeichter Maße, Gewichte und Wagen nur für das Zumessen und Zu- 
wägen aufstellte, hat die jetzt geltende es auf das Messen und Wägen 
überhaupt ausgedehnt und dadurch die Voraussetzung ausgeschlossen, 
daß der Empfänger der Leistung dabei anwesend sein müsse. Auch 
wenn die Abwägungen im Magazin, der Fabrik, dem Laden des Ver- 
käufers in gewissen Packungen oder Gefäßen stattfinden, der Inhalt 
aber einer im Gesetz definierten Quantität entsprechen soll?), müssen 
dabei geeichte Meßwerkzeuge gebraucht werden. Den Maßen stehen 
1) Maß- und Gewichtsordnung, $ 14. 
2) Jedoch kann der Bundesrat für bestimmte Arten von Betrieben, sowie für 
bestimmte Arten von Waren, insbesondere für den Verkehr nach und von dem Aus- 
lande, die Anwendung und Bereithaltung solcher nicht nach den inländischen Vor- 
schriften geeichter Meßgeräte. welche auf einem andern als dem metrischen System 
beruhen, zulassen ($ 6, Abs. 5), vgl. die Bekanntmachung vom 18. Dez. 1911 (Reichs- 
gesetzbl. S. 1063). 
3) Dies ist immer der Fall, wenn der zu zahlende Preis sich nach der Quantität der 
Ware berechnet.
	        
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