Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

16 8 72. Die Konsulate. 
reichsgesetzmäßiger Form vor einem ermächtigten Konsul geschlossen 
haben, innerhalb des deutschenReichsgebietes alsgültig 
anzusehen ist, selbst wenn sie nach dem Recht des Staates, in dessen 
Gebiet die Eheschließung erfolgt ist, keine Rechtsgültigkeit hat'). Ebenso- 
wenig kann die Anmeldung einer Geburt oder eines Sterbefalls bei dem 
Gesandten oder Konsul des Deutschen Reiches von der landesgesetz- 
lich vorgeschriebenen Pflicht, den Fall bei dem Standesbeamten des 
Bezirks anzuzeigen, jemanden befreien ?). Die gleichzeitige Ausübung 
der Standesamts-Funktionen sowohl durch die territorialen Behörden 
als auch durch die auswärtigen Konsuln oder Gesandten hinsichtlich 
derselben Personen müßte aber zu den schlimmsten Mißständen führen 
und namentlich in Hinsicht auf die Eheschließung in dem Falle einen 
fast unerträglichen Rechtszustand bewirken, wenn die vor dem deut- 
schen Konsul nach Maßgabe des Gesetzes vom 4. Mai 1870 geschlos- 
sene Ehe an dem Ort der Eheschließung selbst, also in den meisten 
Fällen andem Wohnort der Eheleute, nichtig und unwirksam wäre. 
Auch liegt ein Bedürfnis für eine Ausnahmestellung der Reichsange- 
hörigen in denjenigen Gebieten nicht vor, in welchen eine staatliche 
Form der Eheschließung und eine staatliche Führung der Standes- 
register eingerichtetist. Endlich wird die Ermächtigung zur Vornahme 
so wichtiger Akte nur denjenigen Konsuln erteilt werden können, deren 
Persönlichkeit dafür eine Bürgschaft bietet, daß die in Betracht kom- 
menden Rechtsvorschriften mit richtigem Verständnis und gewissen- 
haft beobachtet werden. Darauf beruht es, daß das Auswärtige Amt 
des Deutschen Reiches zunächst zu prüfen hat, ob in einem gewissen 
Staate die Ausübung der Funktionen von Personenstandsbeamten durch 
die diplomatischen Vertreter und Konsuln des Reiches zulässig und 
wünschenswert ist, und daß deshalb die Ermächtigung zur Ausübung 
dieser Befugnisse nur denjenigen diplomatischen Vertretern und Kon- 
suln zusteht, denen sie der Reichskanzler besonders und ausdrücklich 
erteilt hat. Diese Ermächtigung muß aber eine allgemeine sein, 
d. h. sie darf nicht auf die Vornahme einer oder mehrerer einzelner 
Eheschließungen usw. beschränkt werden’). 
1) Vgl. das zitierte Urteil des Reichsgerichts (Peru). Ueber dieinternatio- 
nale Gültigkeit einer vor dem Konsul geschlossenen Ehe vgl. das Haager Abkommen 
v. 12. Juni 1902 (Reichsgesetzbl. 1904, S. 221), insbesondere Art. 6. Das Abkommen 
findet aber nur auf die europäischen Gebiete der Vertragstaaten Anwendung, Art. 9. 
Vgl. auch Art. 14 des Einf.-Ges. z. BGB. Mariolle, Die Eheschließung vor diplom. 
Agenten und Konsuln. Arch. f. öffentl. Recht, Bd. XIII, S. 459 ff. 
2) Auch das deutsche Recht läßt keine solche Ausnahme zu. Gesetz vom 6. Fe- 
bruar 1875, 8 17, 56. Nur die exterritorialen Personen sind von der Beobach- 
tung dieses Gesetzes eximiert. Erl. des Reichsjustizamtes von 1879 bei Re- 
ger, Entscheidungen Bd. 8, S. 107. 
3) Diesem Grundsatz entspricht es, daß ein ermächtigter Konsul auch eine seine 
eigene Familie betreffende Eintragung in das Standesregister persönlich vornehmen 
kann. Zirkular vom 28. April 1877 bei v. König S. 227.
	        
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