$ 77. Das Maß- und Gewichtswesen. 197
Kalenderjahres, in welchem die letzte Eichung vorgenommen ist. Gas-
messer sind von der Nacheichung ausgenommen ($ 11). Der Bundes-
rat ist ermächtigt, die Verpflichtung zur Neu- oder Nacheichung auf
andere Gegenstände auszudehnen oder einzelne Arten von Gegen-
ständen davon auszunehmen oder die Fristen für die Nacheichung hin-
sichtlich einzelner Arten von Gegenständen abzuändern und zu ergänzen.
Die Vorschriften des Bundesrats sind dem Reichstag vorzulegen und,
soweit er die Grenehmigung versagt, außer Kraft zu setzen ($ 12)}).
6. Als »unrichtig« gelten Meßwerkzeuge, welche über die vom
Bundesrat festgesetzten Fehlergrenzen von der Richtigkeit abweichen;
die Anwendung und Bereithaltung unrichtiger Meßwerkzeuge und die
Anwendung von unrichtigen Fässern ist im eichpflichtigen Verkehr
untersagt (8 15) ?).
7.WerinAusübung eines Gewerbes den angeführten Vor-
schriften der Maß- und Gewichtsordnung oder den aufGrund des 8 12
derselben erlassenen Anordnungen des Bundesrats oder den sonstigen
Vorschriften der Maß- und Gewichtspolizei zuwiderhandelt, wird mit
Geldstrafe bis zu 150 Mk. oder mit Haft bestraft. Daneben kann auf
die Unbrauchbarmachung oder die Einziehung der vorschriftswidrigen
Meßgeräte erkannt, sowie auch deren Vernichtung ausgesprochen wer-
den (8 22)°).
Il. Die Eichung der Meß- und Wägewerkzeuge.
1. Die Eichung besteht in der amtlichen Prüfung und Stempelung
der Maße, Gewichte und Wagen durch die zuständige Behörde. Die
Prüfung ist eine technische Verrichtung ohne obrigkeitlichen Charakter,
die Stempelung dagegen ist die Ausstellung einer öffentlichen Urkunde,
durch welche die Richtigkeit des Maßes oder Gewichtes beglaubigt wird.
Die unbefugte Nachahmung des Eichungsstempels ist daher nach
8 267 ff. des Strafgesetzbuches als Urkundenfälschung zu bestrafen, wenn
die übrigen Erfordernisse dieses Vergehens (rechtswidrige Absicht und
Gebrauch zum Zwecke einer Täuschung) vorhanden sind. Die näheren
Vorschriften über die Prüfung und Stempelung sind in der Eichord-
nung enthalten‘). Die Stempelung erfolgt mit den vom Bundesrat
1) Vgl die Bekanntmachung vom 18. Dez. 1911 (Reichsgesetzbl. S. 1064); vom
28. März 1912 (Reichsgesetzbl. S. 218).
2) Verordnung vom 18. Dez. 1911 (Reichsgesetzbl. S. 1065 ff.).
3) Die alte Maß- und Gewichtsordnung enthielt keine Strafdrohung für die Ver-
letzung ihrer Vorschriften; sie war vielmehr im Strafgesetzbuch $ 369, Ziff. 2 ent-
halten; der Tatbestand des $ 369, Ziff. 2 wich aber in einigen Beziehungen von den
Verboten der Maß- und Gewichtsordnung ab. Diese Inkongruenz ist jetzt beseitigt,
indem die Strafdrohung in die Maß- und Gewichtsordnung selbst aufgenommen und
$ 369, Ziff. 2 und Abs. 2 aufgehoben worden ist ($ 23, Abs. 3). Vgl. ferner das Reichs-
gesetz vom 20. Juli 1881 über die Schankgefäße $ 4 und das Reichsgetetz vom 1. Juni
1898 (Reichsgesetzbl. S. 905) über die elektrischen Maßeinheiten $ 12.
4) Die jetzt geltende Eichordnung ist vom 8. Nov. 1911 (Beilage zu Nr. 62 des
Reichsgesetzbl.