Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

210 $ 78. Die Gewerbepolizei. 
Die Gewerbeordnung bedarf aber nicht nur der Ergänzung hin- 
sichtlich derjenigen Gewerbe, für welche ihre Geltung ausgeschlossen 
ist, sondern auch in betreff derjenigen, auf welche sich ihre Geltung 
erstreckt, und die in dieser Hinsicht zur Anwendung kommenden Re- 
geln sind ziemlich verwickelt und in ihrem gegenseitigen Verhältnis 
nicht ganz frei von Zweifeln. Es kommen hier folgende Gesichtspunkte 
in Betracht: 
1. Die Gewerbeordnung verweist an zahlreichen Stellen auf die 
Autonomie der Einzelstaaten, teils indem sie die letzteren ermächtigt, 
für gewisse Gewerbebetriebe Beschränkungen einzuführen oder Maß 
und Art derselben zu bestimmen, teils indem sie den Erlaß der zur 
Durchführung der reichsgesetzlichen Bestimmungen erforderlichen 
Anordnungen den Einzelstaaten überträgt. Ueber die Frage nun, von 
welchem Organ der Einzelstaaten oder in welcher Form diese An- 
ordnungen zu erlassen sind, ist in erster Linie nicht das Landesstaats- 
recht maßgebend, sondern die Gewerbeordnung selbst, da sie als Reichs- 
gesetz dem gesamten Landesrecht vorgeht. Die Gewerbeordnung regelt 
auch in vielen Beziehungen diese Frage in einer jeden Zweifel aus- 
schließenden Weise, indem sie gewisse Anordnungen den Zentralbe- 
hörden, höheren Verwaltungsbehörden, Ortspolizeibehörden, Gemeinde- 
behörden (Ortsstatut) überträgt. Welche Behörden in den einzelnen 
Staaten unter diese Bezeichnungen fallen, bestimmt sich nach der 
Behördenorganisation !. Aber auch, wo die Gewerbeordnung die 
»Landesregierungen« für zuständig erklärt, ist nicht notwendig eine 
landesherrliche Verordnung oder ein Ministerialerlaß darunter zu ver- 
stehen, sondern es ist nach der Kompetenzverteilung innerhalb der 
Einzelstaaten zu entscheiden, welche Behörde als das Organ der Lan- 
desregierung die fraglichen Anordnungen zu erlassen hat?). Dagegen 
könnten die Einzelstaaten, soweit ihre Regierungen zum Erlaß solcher 
Anordnungen reichsgesetzlich verpflichtet sind, denselben nicht von 
der Zustimmung der Volksvertretungen, also von der Beobachtung 
der Gesetzesform, abhängig machen. Wo die Gewerbeordnung aber 
den Erlaß von Vorschriften durch die »Landesgesetzgebung« oder eine 
»landesgesetzlichex Regelung vorbehält, kann es wegen der doppelten 
Bedeutung des Wortes »Gesetz« zweifelhaft sein, ob die Form des 
Landesgesetzes im Gegensatz zur Verordnung, oder die landesrecht- 
liche Normierung im Gegegensatz zur reichsrechtlichen damit gemeint, 
also der Erlaß einer Rechtsverordnung der Einzelstaaten gestattet ist, 
soweit diese Form nach dem Staatsrecht des Einzelstaates zulässig ist. 
der Binnenschiffe (Binnenschiffahrtsgesetz $ 21, Abs. 2) und die Floßmannschaft 
(Flößereigesetz 8 17, Abs. 2). 
1) Die Zentralbehörden sind verptlichtet, bekannt zu machen, welche Behörden 
unter den in der Gewerbeordnung vorkommenden Bezeichnungen zu verstehen sind. 
Gewerbeordnung $ 155, Abs. 2. Kinderschutzgesetz $& 22. 
2) Landmann], S. 328, Anm. 9; II S. 861 ff.
	        
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