Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

$ 78. Die Gewerbepolizei. 217 
Kommission für die Prüfung für große Fahrt (5 Mitglieder) eingesetzt'); 
das Prüfungswesen wird aber von Reichs wegen beaufsichtigt vermit- 
tels Prüfungsinspektoren, welche der Reichskanzler nach Anhö- 
rung des Bundesratsausschusses für Handel und Gewerbe bestellt ?). 
Dieselben haben darauf zu achten, daß die in bezug auf die Prüfun- 
gen erlassenen Vorschriften befolgt und daß überall gleichmäßige An- 
forderungen an die Prüflinge gestellt werden. Sie können gegen die 
Entscheidung der Prüfungskommission Einspruch erheben, wenn die 
letztere einem Prüfling das Prädikat »bestanden« oder »mit Auszeich- 
nung bestanden« statt des Prädikats »nicht bestanden« zu erteilen be- 
absichtigt. Gelingt es nicht, eine Verständigung zu erzielen, so hat der 
Inspektor einen Bericht an den Reichskanzler zu erstatten, wel- 
cher endgültig entscheidet. 
Die Befugnis zur Ausübung des Gewerbes kann einem deutschen 
Schiffer oder Steuermann entzogen werden durch den Spruch eines 
Seeamtes oder Oberseeamtes?). Die Seeämter sind Landesbehörden, 
deren Errichtung und Beaufsichtigung den Einzelstaaten zusteht; die 
Abgrenzung ihrer Bezirke aber erfolgt durch den Bundesrat, und die 
Oberaufsicht über die Seeämter führt das Reich‘). Die Aufgabe 
des Seeamtes besteht in der Untersuchung von Seeunfällen deut- 
scher Kauffahrteischiffe und von Seeunfällen, welche ausländische 
Kauffahrteischiffe innerhalb der deutschen Küstengewässer betroffen 
haben oder deren Untersuchung vom Reichskanzler angeordnet wor- 
den ist). Durch die Untersuchung sollen die Ursachen des Seeunfalles, 
sowie alle mit demselben zusammenhängenden Tatumstände ermittelt 
werden; insbesondere, ob der Schiffer oder der Steuermann durch 
Handlungen oder Unterlassungen den Unfall oder dessen Folgen ver- 
schuldet hat‘). Das Seeamt bildet eine kollegialische Behörde und 
besteht aus einem Vorsitzenden, der die Fähigkeit zum Richteramt 
haben muß, und aus vier Beisitzern, von denen mindestens zwei die 
Befähigung als Seeschiffer besitzen und als solche gefahren haben ?). 
Der Reichskanzler bestellt für jedes Seeamteinen Kommissar, 
welcher Anträge an das Seeamt oder seinen Vorsitzenden zu stellen, 
1) Verordnung vom 6. August 1887, $ 17 ff. u. 35 ff. 
2) Ebendaselbst $ 56. Vgl. Bd. 1, S. 394. 
3) Reichsgesetz, betreffend die Untersuchung von Seeun- 
fällen, vom 27. Juli 1877, $ 26, 29 (Reichsgesetzbl. S. 554, 555). Motive Druck- 
sachen des Reichstages 1877, Bd. 1, Nr. 4. Kommissionsbericht ebendaselbst 
Nr. 5. Verhandlungen Stenogr. Berichte S. 16, 864 fg., 877 fg. 
4) 86.a.a. O. Streitigkeiten oder Zweifel über die Zuständigkeit der einzelnen 
Seeämter entscheidet das Reichsamt des Innern. $ 5, Abs. 3. 
5) Reichsgesetz 8 1—3. 6) A.a.0.84, Ziff. 1. 
7) Die näheren Vorschriften über die Bildung und Zusammensetzung des See- 
amtes enthält das Gesetz in den $$ 7—12. Auf das Verfahren finden im allgemeinen 
die Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozeßordnung An- 
wendung. 8 19. Jedoch findet die Anordnung der Haft zur Erzwingung eines Zeug- 
nisses nicht statt. Vgl. Stenogr. Berichte a. a. O. S. 878 fg.
	        
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