Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

236 8 78. Die Gewerbepolizei. 
Ausnahmen von dem Verbot der Sonntagsarbeit hat der Bundesrat 
in der Verordnung vom 5. Februar 1895 zugelassen !). 
2. Ladenschluß. Von neun Uhr abends bis fünf Uhr mor- 
gens müssen offene Verkaufsstellen für den geschäftlichen Verkehr ge- 
schlossen sein. Ausnahmen dürfen gestattet werden in Notfällen, ferner 
an höchstens 40 Tagen im Jahr bis spätestens zehn Uhr abends und 
endlich nach Bestimmung der höheren Verwaltungsbehörde in kleinen 
Städten unter 2000 Einwohnern und in ländlichen Gemeinden. Wäh- 
rend der Zeit, in welcher die Verkaufsstellen geschlossen sein müssen, 
ist der Gewerbebetrieb im Umherziehen und der Hausierhandel ver- 
boten (8 139e) ?). | 
3. Minderjährige Personen, welche nicht mehr zum Be- 
suche der Volksschule verpflichtet sind, dürfen als Arbeiter nur 
beschäftigt werden, wenn sie mit einem Arbeitsbuch versehen 
sind. Dasselbe wird von der Polizeibehörde auf Antrag oder mit Zu- 
stimmung des gesetzlichen Vertreters kosten- und stempelfrei ausge- 
stellt®); die Einrichtung der Arbeitsbücher wird durch den Reichskanz- 
ler bestimmt. In das Arbeitsbuch ist die Zeit des Eintritts, die Art 
der Beschäftigung und die Zeit des Austritts einzutragen; Urteile über 
die Führung oder die Leistungen des Arbeiters oder Merkmale, welche 
den Inhaber des Arbeitsbuchs günstig oder nachteilig zu kennzeichnen 
bezwecken, dürfen in das Arbeitsbuch nicht eingetragen werden. Der 
Arbeitgeber hat das Arbeitsbuch einzufordern, zu verwahren, auf amt- 
liches Verlangen vorzulegen und nach rechtmäßiger Lösung des Arbeits- 
verhältnisses wieder auszuhändigen *). 
4. Der Bundesrat kann für bestimmte Gewerbe Lohnbücher 
oder Arbeitszettel vorschreiben, in welche Art und Umfang der über- 
tragenen Arbeit, die Lohnsätze und die Bedingungen für die Lieferung 
von Werkzeugen und Stoffen zu den übertragenen Arbeiten einzutra- 
gen sind; sie sind von dem Arbeitgeber auf seine Kosten zu beschaffen, 
mit den vorgeschriebenen Einträgen zu versehen und dem Arbeiter aus- 
zuhändigen). Durch die Novelle vom 27. Dezember 1911, 8 114a ist 
der Inhalt der Lohnbücher so erweitert worden, daß sie die wesent- 
1) Reichsgesetzbl. 1895 S. 12 ff. Vgl. ferner Reichsgesetzbl. 1896 S. 104, 177, 191, 
744; 1897 S. 773; 1898 S. 1185; 1899 S. 271, 373; 1906 S. 475. Alle diese Bestimmun- 
gen sind zusammengestellt bei Landmann II, S. 892 ff. 
2) Nach $ 139f kann unter den daselbst erforderten Voraussetzungen für einzelne 
Gemeinden angeordnet werden, daß die Verkaufsstellen vor 7 Uhr morgens und nach 
8 Uhr abends geschlossen sein müssen, die Ladenschlußzeit also verlängert wird. 
Diese Verlängerung kann beschlossen werden für alle oder einzelne Geschäftszweige, 
während bestimmter Zeiträume oder während des ganzen Jahres. 
3) Nähere Vorschriften darüber in den 88 108, 109. 
4) Gewerbeordnung 8 107—114. Die Aushändigung erfolgt an den gesetzlichen 
Vertreter, sofern dieser es verlangt, oder der Arbeiter das 16. Lebensjahr noch nicht 
vollendet hat; andernfalls an den Arbeiter selbst. & 107, Abs. 1. 
5) Gewerbeordnung $ 114a. (Novelle vom 30. Juni 1900 und vom 27. Dezember 
1911.)
	        
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