352 8 82. Die Arbeiterversorgung. Angestelltenversicherung.
versicherungsordnung die Berufsunfähigkeit als Voraussetzung
des Fürsorgeanspruchs. Berufsunfähigkeit ist anzunehmen, wenn die
Arbeitsfähigkeit auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körper-
lich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und
gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist (Gesetz
8 25). Die Berufsunfähigkeit kann also auch vorhanden sein, wenn
der Angestellte nicht arbeitsunfähig oder invalide im Sinne der Reichs-
versicherungsordnung 8 1255 Abs. 2 ist.
1. Versicherungspflichtig sind die im $1 unter 6 Ziffern
aufgeführten Personen, welche den sechs Klassen des 81226 Reichsver-
sicherungsordnung nachgebildet sind, jedoch unter Beschränkung auf
Angestellte in leitender, gehobener oder höherer Stellung, wenn diese
Beschäftigung ihren Hauptberuf bildet. Es scheiden daher gewöhnliche
Arbeiter, Gehilfen, Gesellen, Lehrlinge, Dienstboten, sowie Schiffsleute
mit Ausnahme der Kapitäne, Deck- und Maschinenoffiziere usw. aus.
Voraussetzung der Versicherungspflicht ist, daß die Personen gegen
Entgelt ($ 2) als »Angestellte« beschäftigt werden; der Bundesrat kann
aber allgemein!) die Versicherungspflicht auf solche Personen erstrecken,
welche eine ähnliche Tätigkeit wie die im $ 1 genannten auf eigene
Rechnung ausüben, ohne in ihrem Betriebe Angestellte zu beschäftigen
($ 4). Da die Versicherung auf Personen von mittlerer Lebensstellung
berechnet ist, so unterliegen der Versicherungspflicht nicht Personen,
deren Jahresarbeitsverdienst 5000 Mark übersteigt. Die Versicherungs-
pflicht beginnt mit dem vollendeten 16. Lebensjahr; ausgeschlossen
von der Versicherung sind Personen, welche beim Eintritt in die ver-
sicherungspflichtige Beschäftigung das 60. Lebensjahr bereits vollendet
haben?), und Personen, welche berufsunfähig sind.
Ueber Befreiungen von der Versicherungspflicht enthält das
Gesetz 88 7—14 ähnliche Vorschriften wie die Reichsversicherungs-
ordnung 8 1232 ff. ; versicherungsfrei sind insbesondere Personen, welche
einen rechtsbegründeten Anspruch auf Pension und Hinterbliebenen-
versorgung von entsprechender Höhe haben?).
2. Versicherungsberechtigt, d.h. zur freiwilligen Fort-
Literatur. Die Handausgaben und Kommentare des Gesetzes sind bereits
sehr zahlreich. Unter den Handausgaben mit Erläuterungen ist hervorzuheben die
von E. Bruck 1912. Ausführliche Kommentare sind erschienen von Bernstein-
Kupferberg, Brunn, Düttmann-Appelius-Seelmann, Hagen,
Potthoff und Manes-Königsberger. Daselbst S. 117 ff. eine sehr umfas-
sende Zusammenstellung der vor Erlaß des Gesetzes erschienenen Schriften. Vgl.
die Uebersicht im jurist. Literaturbl. 1912, S. 217.
1) „Allgemein“ bedeutet, daß der Bundesrat nicht einzelne Personen, son-
dern nur bestimmte Klassen von Personen für versicherungspflichtig erklären darf.
2) Der Grund ist der, daß von Personen über 60 Jahren nicht mehr so viele
Beitragsmonate zu erwarten sind, als zur Deckung der Fürsorgeleistungen erforder-
lich sind.
3) Vgl. Bekanntm. des Bundesrats im Zentralbl. 1913, S. 173, 182, 192, 218 ff,
412, 467 usw. Reichsgesetzbl. 1913, S. 571.