Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

404 $ 86. Die Gerichtsbarkeit der Einzelstaaten. 
Rechts der Selbstbestimmung der Einzelstaaten erhebliche Schranken 
setzen. 
Für das Reichsstaatsrecht bildet diese Materie keinen Anlaß zu 
speziellen Erörterungen: es gelten keine anderen Rechtsregeln als die- 
jenigen, welche sich aus dem allgemeinen Unterordnungsverhältnis der 
Bundesstaaten unter die Reichsgewalt ergeben. 
Da die Bestellung und Organisation der Behörden, durch welche 
diese Gerichtsbarkeit ausgeübt wird, den Einzelstaaten überlassen ist, so 
steht es inen auch frei, dazu die ordentlichen Gerichte zu verwen- 
den und die Zuständigkeit derselben und das von ihnen zu befolgende 
Verfahren vorzuschreiben. Nur in einer Beziehung ist den Einzel- 
staaten hier eine Schranke gezogen; es ist ihnen verboten, andere Ge- 
schäfte der Verwaltung als diejenigen der Justizverwaltung den ordent- 
lichen Gerichten zu übertragen !). Hierdurch ist der Grundsatz der 
Trennung der Rechtspflege von der Verwaltung, welcher bei Einfüh- 
rung der neuen Gerichtsverfassung in allen deutschen Staaten bis auf 
ein paar unbedeutende Ausnahmen landesrechtlich bereits durchge- 
führt war, reichsgesetzlich sanktioniert worden, so daß den 
Einzelstaaten jede Abweichung von demselben unmöglich gemacht 
worden ist. Wenngleich daher die praktische Wirkung dieser Bestim- 
mung nur gering war, so kommt ihr doch staatsrechtlich eine große 
Tragweite zu, indem sie eine einschneidende Beschränkung der Auto- 
nomie der Einzelstaaten enthält. Das Reichsgesetz verbietet aber nur, 
Verwaltungsgeschäfte den ordentlichen »Gerichten« zu übertragen, nicht 
den »Richtern«; d.h. es müssen gesonderte »Behörden« für die Rechts- 
pflege und für die Verwaltung eingerichtet werden, dagegen kann der- 
selbe »Beamte« gleichzeitig ein richterliches Amt und ein Verwaltungs- 
amt führen ?). 
1) Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz 8 4. Ueber den Kreis der 
teschäfte, welche zur Justizverwaltung gehören, vgl. die Verhandlungen der Reichs- 
tagskommission, Protokoll I. Lesung, S. 486 ff. (Hahn S. 647). Abg. Dr. Lasker 
zählte dahin: „Alle Geschäfte, welche zur Herbeiführung und Vollziehung des Rich- 
terspruchs erforderlich seien; auch äußere Angelegenheiten, sofern sie zu dem be- 
zeichneten Zwecke erledigt werden müssen; unter diesen Gesichtspunkt falle auch 
die Beschaffung der Schreibmaterialien, die Aufsicht über die Strafanstalten.“ 
2) Vgl. Kommissionsbericht zum Gerichtsverfassungsgesetz S. 75 (Hahn S. 981). 
Anderer Ansicht v. KriesS. 113, welcher dies mit der Unabhängigkeit der Richter 
für unvereinbar hält. Es kann sich praktisch nur um solche Aemter handeln, welche 
der Richter als Nebenamt übernehmen kann, z. B. als sogenannter Syndikus bei 
einer Oberpostdirektion, einer Reichsbankhauptstelle und anderen Verwaltungsbehör- 
den. Allerdings sind diese Nebenämter in der Regel besoldet und widerruflich; der 
Richter erleidet daher durch die Entziehung eines solchen Nebenamts eine Einbuße 
an seinem Einkommen.
	        
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