Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

8 88. Die Gerichtsverfassung. 425 
gestellte Einzelrichter!) In zweiter Instanz entscheiden als 
Berufungs- und Beschwerdegerichte die Zivilkammern der Land- 
gerichte?); es sind dies Kollegien, welche aus drei zum Richteramt 
befähigten, berufsmäßigen Richtern bestehen. Ein Rechtsmittel 
gegen Endurteile der Zivilkammern und eine Entscheidung in dritter 
Instanz findet nicht statt. 
b) Die zweite Kategorie umfaßt alle bürgerlichen Rechts- 
streitigkeiten, welche nicht den Amtsgerichten (Einzelrichtern) zuge- 
wiesen sind), also alle vorstehend nicht aufgeführten zivilrechtlichen 
Ansprüche. 
Dieselben werden in erster Instanz abgeurteilt von den Zivil- 
kammern der Landgerichte in der Besetzung von drei berufsmäßigen 
Richtern oder, wenn durch die Klage ein Anspruch geltend gemacht 
wird, der aus einem der in $ 101 des Gerichtsverfassungsgesetzes auf- 
geführten Rechtsverhältnisse herrührt, von den Kammern für 
Handelssachen, wo solche von der Landesjustizverwaltung ge- 
bildet worden sind?). Die Kammern für Handelssachen als entschei- 
dende Kollegien bestehen aus einem Mitglied des Landgerichts als Vor- 
sitzenden und zwei dem Kaufmannsstande angehörenden Handels- 
richtern; sämtliche Mitglieder haben gleiches Stimmrecht. In Streitig- 
keiten, welche sich auf das Rechtsverhältnis zwischen Reeder oder 
Schiffer und Schiffsmannschaft beziehen, kann die Entscheidung durch 
den Vorsitzenden allein erfolgen °). 
In zweiter Instanz entscheiden über die Rechtsmittel der Be- 
rufung und Beschwerde die Zivilsenate der Oberlandesgerichte in 
der Besetzung von fünf rechtsgelehrten Mitgliedern mit Einschluß des 
Vorsitzenden’). 
1) Gerichtsverfassungsgesetz 8 22, Abs.2 a. E. 2) Gerichtsverfassungsgesetz $ 71. 
3) Gerichtsverfassungsgesetz $ 77. 4) Gerichtsverfassungsgesetz $ 70. 
5) Gerichtsverfassungsgesetz & 100. — Die Verhandlung des Rechtsstreites er- 
folgt aber nur dann vor der Kammer für Handelssachen, wenn der Kläger dies in 
der Klageschrift beantragt hat, oder wenn bei einer vor die Kammer für Han- 
delssachen gehörigen, aber vor die Zivilkammer gebrachten Klage der Beklagte die 
Verweisung des Rechtsstreits an die Kammer für Handelssachen beantragt hat; 
auch ist der Prozeß auf Antrag vor die Zivilkammer zu verweisen, wenn die Klage 
durch Antrag auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses erweitert oder eine Wider- 
klage erhoben wird und die erweiterte Klage oder die Widerklage als Klage nicht 
vor die Kammer für Handelssachen gehört. Gerichtsverfassungsgesetz &$ 102, 104, 
105. Das Nähere über die Zuständigkeitsverhältnisse der Zivilkammern und der 
Kammer für Handelssachen gehört in die Darstellung des Zivilprozesses; hier ist der 
Grundsatz hervorzuheben, daß die Zivilkammern die regelmäßigen Gerichte 
sind, denen eine allgemeine Kompetenz zusteht, während die Kammern für Han- 
delssachen als Spezialkommissionen für besondere Arten von Rechtsstreitig- 
keiten anzusehen sind. Silberschmidt, Die deutsche Sondergerichtsbarkeit in 
Handels- und Gewerbesachen (Beilageheft zur Zeitschr. f. Handelsrecht Bd. 55, 1904) 
S. 248 ff. 
6) Gerichtsverfassungsgesetz 8 109, Abs. 3, Motive S. 139 a. E. (Hahn S. 129). 
7) Gerichtsverfassungsgesetz $ 123, Ziff. 1. u. 4; $ 124.
	        
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