S 88. Die Gerichtsverfassung. 427
Entscheidung ihnen von den Strafkammern der Landgerichte gemäß
8829 und 75 des Gerichtsverfassungsgesetzes überwiesen werden. Durch
das Reichsgesetz vom 5. Juni 1905 (Reichsgesetzbl. S. 533) ist die Zu-
ständigkeit der Schöffengerichte sehr erweitert worden.
In zweiter Instanz entscheiden über Beschwerden und Be-
rufungen gegen Entscheidungen und Urteile der Schöffengerichte die
Strafkammern'), und zwar in der Hauptverhandlung in der Be-
setzung mit fünf Mitgliedern, wenn es sich um ein Vergehen handelt,
in der Besetzung mit drei Mitgliedern bei Uebertretungen und in Fällen
der Privatanklage?). Laienrichter nehmen an der Entscheidung in
keinem Falle teil.
In dritter Instanz entscheiden die Strafsenate der Ober-
landesgerichte über das Rechtsmittel der Revision gegen Urteile
der Strafkammern in der Berufungsinstanz?), gleichviel, ob die Revision
auf eine Verletzung des Reichsrechts oder des Landesrechts gestützt
wird*. Die Revision kann jedoch nicht begründet werden mit der
Behauptung, daß eine Rechtsnorm über das Verfahren verletzt
worden sei, mit alleiniger Ausnahme der Vorschrift des 8 398 der
Strafprozeßordnung?°). Die Strafsenate entscheiden in der Besetzung
von fünf rechtsgelehrten Richtern mit Einschluß des Vorsitzenden ®).
b) Die Strafkammern sind in erster Instanz zuständig hin-
sichtlich aller Vergehen, welche nicht zur Zuständigkeit der Schöf-
fengerichte gehören ”), und derjenigen Verbrechen, welche im 8 73
des Gerichtsverfassungsgesetzes aufgeführt sind; sie sind ferner aus-
schließlich zuständig — gleichviel, ob die Tat als Uebertretung, Ver-
gehen oder Verbrechen zu erachten ist — bei Zuwiderhandlungen gegen
die im 8 74 a.a. O. aufgeführten Gesetze ?). Die Strafkammern bestehen
nur aus berufsmäßigen Richtern und entscheiden in der Hauptver-
handlung in der Besetzung mit fünf Mitgliedern, sonst in der Besetzung
mit drei Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden.
Gegen Endurteile der Strafkammern: in erster Instanz ist nur das
Rechtsmittel der Revision zulässig; über dasselbe entscheiden die Straf-
senate der Oberlandesgerichte, sofern die Revision aus-
1) Gerichtsverfassungsgesetz $ 72, Abs. 1; 8 76.
2) Gerichtsverfassungsgesetz $ 77. 3) Ebendaselbst $ 123, Ziff. 2.
4) Nur in dem Falle des $ 136, Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (Zuwider-
handlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher in die Reichs-
kasse fließender Abgaben und Gefälle) kann die Entscheidung in dritter Instanz
an das Reichsgericht gebracht werden. Vgl. oben S. 411.
5) Strafprozeßordnung $ 380. Der in Bezug genommene $ 398 betrifft den Fall,
daß ein Urteil in der Revisionsinstanz aufgehoben und die Sache an ein Gericht zur
anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen worden ist.
6) Gerichtsverfassungsgesetz $ 124.
7) Jedoch kann in den im $ 75 a. a. O. aufgezählten Fällen bei Eröffnung des
Hauptverfahrens durch Beschluß der Strafkammer die Verhandlung und Entscheidung
dem Schöffengericht überwiesen werden.
8, $ 74, Ziff. 2 ist aufgehoben durch das Flargengesetz von 1899, $ 29, Abs. 2.