Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

$ 91. Der Gerichtsdienst. 465 
öffentlich -rechtlichen zweiseitigen Rechtsgeschäft, durch welches 
der Untertan freiwillig zur Führung gerichtlicher Amtsgeschäfte sich 
verpflichtet. Aber auch die freiwillige Uebernahme von Gerichtsge- 
schäften kann wieder in doppelter Weise erfolgen; entweder nämlich 
durch Eintritt in den berufsmäßigen Staatsdienst, wodurch sich 
der Beamte dem Landesherrn zur Leistung staatlicher Arbeit verpflich- 
tet und sich ihm behufs Uebernahme eines Amtes zur Verfügung stellt, 
oder ohne Begründung eines Staatsdienstverhältnisses durch unentgelt- 
liche Uebernahme einer richterlichen Stellung in der Gestalt des 
Ehrenamtes. Hiernach sind in staatsrechtlicher Hinsicht drei 
Arten von Gerichtsdiensten zu unterscheiden, der gesetzliche Ge- 
richtsdienst der Schöffen und Geschworenen und der Beisitzer der 
Gewerbe- und Kaufmannsgerichte, der Gerichte für die Reichsversiche- 
rung, für die Konsulargerichte und Schutzgebietsgerichte!), der be- 
rufsmäßige Dienst der Justizbeamten und der Ehrendienst der 
Handelsrichter. Daß unter diesen Arten von Diensten derjenige der 
berufsmäßigen Staatsbeamten von überwiegender Bedeutung und Wich- 
tigkeit ist, beruht nicht auf dem Wesen der Gerichtsbarkeit, sondern 
auf dem eigentümlichen Charakter unseres Rechts, insbesondere des 
Privatrechts, und der dadurch bedingten Verfassung der Gerichte. 
l. Der gesetzliche Gerichtsdienst‘). 
Die Pflicht zum Dienst als Schöffe und Geschworener entspricht, 
trotz aller Verschiedenheit in betreff ihres Inhaltes und ihrer tatsäch- 
lichen Verwirklichung, sowohl ihrem Rechtsgrunde als ihrer juristi- 
schen Gestaltung nach der allgemeinen Wehrpflicht; und ebenso wie 
die letztere gehört die allgemeine Gerichtspflicht zu denjenigen Unter- 
tanenpflichten, welche die ursprünglichsten und tiefsten Grundlagen 
des Staates bilden, auf denen die ältesten Verfassungen wesentlich 
beruhten. 
1. Dieallgemeine Gerichtspflicht ist die staatsbürger- 
liche Verpflichtung zur Dienstleistung in den Gerichten des Staates. 
Der Dienst besteht in der Teilnahme an der Urteilsfindung 
und Beschlußfassung und an den hierzu erforderlichen, in den 
Prozeßordnungen näher geregelten gerichtlichen Verhandlungen und 
Geschäften. Ein solcher Dienst wird vom Staat gegenwärtig haupt- 
1) Das Konsulargerichtsbarkeitsgesetz $ 12, Abs. 2 verpflichtet die Gerichts- 
eingesessenen, der Berufung als Beisitzer Folge zu leisten und erklärt die $$ 53, 55 
86 des Gerichtsverfassungsgesetzes auf sie für anwendbar. Ueber die Beisitzer der 
Gewerbegerichte vgl. Gesetz vom 29. Juli 1890 $ 18 (Reichsgesetzbl. S. 145); über die 
der Versicherungschiedsgerichte oben & 82. 
*, Vgl. Hermann Seuffert, Erörterungen über die Besetzung der Schöffen- 
gerichte und Schwurgerichte, Breslau 1879; Schwarze in v. Holtzendorffs Hand- 
buch des Strafprozeßrechts Bd. 2 (1879), S. 567 ff.; Binding, Grundriß S. 84 ff. und 
BenneckeS.ölff.; Ullmann, Strafprozeß S. 130 ff.
	        
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