Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

466 8 91. Der Gerichtsdienst. 
sächlich in Anspruch genommen bei der Strafrechtspflege und auch 
hier nur bei den Schöffengerichten und bei den Schwurgerichten, so 
daß die allgemeine Gerichtspflicht keine andere Verwendung findet 
als in der Wahrnehmung der Funktionen eines Schöffen oder eines 
Geschworenen '). An und für sich erzeugt die Gerichtspflicht so wenig 
wie die Wehrpflicht eine subjektive Verpflichtung zu einer bestimmten 
Dienstleistung; hierzu ist in jedem einzelnen Falle der hinzukommende 
Befehl des Staates, die Einberufung als Schöffe oder Geschworener, 
erforderlich. 
2. Die Gerichtspflicht ist eine staatsbürgerliche oder Ünter- 
tanenpflicht; der Ausländer ist ihr nicht unterworfen; nur Staatsan- 
gehörige sind zur Mitwirkung an der staatlichen Gerichtsbarkeit be- 
rufen und verpflichtet. So wie nun aber im Deutschen Reich die 
Strafgerichtsbarkeit der Einzelstaaten sich auf das ganze Reichsgebiet 
erstreckt und in letzter Instanz in der Gerichtsbarkeit des Reichs zu- 
sammengefaßt ist, so kommt auch bei Leistung der Gerichtspflicht 
nicht die Staatsangehörigkeit, sondern die Reichsangehörigkeit in 
Betracht. Jeder Deutsche ist verpflichtet, der Einberufung zum 
Schöffen- oder Geschworenendienst bei dem Gericht, in dessen Bezirk 
er seinen Wohnsitz hat, Folge zu leisten, gleichviel, ob er dem be- 
treffenden Bundesstaat angehört oder nicht?). Ausländer sind aber 
nicht nur vom Gerichtsdienst frei, sondern sie sind auch gesetzlich 
zur Wahrnehmung der Funktionen eines Schöffen oder Geschworenen 
für unfähig erklärt’). Die Rechtsregeln über die Voraussetzung, 
die Geltendmachung, den Umfang und die Erfüllung der gesetzlichen 
Gerichtsdienstpflicht sind vom Reich festgestellt; der Autonomie der 
Einzelstaaten ist in dieser Hinsicht ein sehr enger Spielraum gestattet. 
Dies beruht teils auf dem Einfluß, welchen diese Regeln auf die Zu- 
sammensetzung und den Charakter der erkennenden Strafgerichte aus- 
üben, teils auf dem soeben dargelegten Grundsatz, daß diese Dienste 
von allen Reichsangehörigen im ganzen Bundesgebiete in Anspruch 
genommen werden können. Es zeigt sich hierin ein bemerkenswerter 
Gegensatz zwischen der gesetzlichen und der freiwillig übernommenen 
Gerichtsdienstpflicht, deren Regelung fast ganz der Landesregierung 
überlassen ist. 
3. Die Gerichtspflicht ist eine allgemeine Untertanenpflicht, 
von welcher es keine anderen Befreiungsgründe gibt als die im Gesetz 
anerkannten. Mit Rücksicht auf die Natur der zu leistenden Dienste 
ist aber der Kreis der Personen, von denen dieselben wirklich ver- 
1) Hierzu kommt noch als ein Anhängsel die Dienstleistung der Vertrauensmänner 
in dem Ausschuß, welcher die Jahreslisten aufstellt. Siehe unten Ziff. 4. 
2) Die passende Analogie hierzu bildet wohl nicht das Reichstagswahlrecht, auf 
welches Seuffert S. 16 hinweist, sondern der Grundsatz, daß die Wehrpflicht 
am Orte des dauernden Aufenthalts zu erfüllen ist. 
3) Gerichtsverfassungsgesetz 88 31, 84.
	        
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