498 8 92. Die Zeugenpflicht.
das Nichterscheinen gesetzten Ordnungsstrafen nicht ausgeschlossen ').
2. Die Pflicht zur Aussage. Der Zeuge ist verpflichtet,
über seine persönlichen Verhältnisse (Alter, Religion, Stand usw.) und
über diejenigen Umstände, welche seine Glaubwürdigkeit in der vor-
liegenden Frage betreffen, Auskunft zu erteilen und im Zusammmenhange
anzugeben, was ihm über den Gegenstand seiner Vernehmung bekannt
ist?). Die Erfüllung dieser Pflicht kann jedoch von dem Zeugen unter
gewissen Umständen abgelehnt werden, wenn er durch Abgabe des
Zeugnisses in eine Kollision mit seinem eigenen Interesse oder mit
anderen Pflichten, auf die der Staat Rücksicht nimmt, geraten würde.
Diese Ausnahmen von der Zeugenpflicht sind von sehr verschiedener
rechtlicher Natur; denn die letztere bestimmt sich nicht nach dem
Wesen der Zeugenpflicht, sondern nach dem Wesen derjenigen In-
teressen oder Pflichten, auf deren Berücksichtigung die Ausnahmen
beruhen. Es besteht namentlich darin eine Verschiedenheit, daß der
Grund der Verweigerung entweder im eigenen Interesse des Zeugen
(oder seiner Angehörigen) oder in einem ihm fremden Interesse liegen
kann, da sich hiernach bestimmt, ob die Verweigerung des Zeugnisses
von dem eigenen Belieben des Zeugen oder von dem Willen eines
Dritten abhängig ist. Die Ausnahmen von der Pflicht zur Zeugenaus-
sage sind demgemäß auf zwei Kategorien zurückzuführen:
a)Im eigenen Interesse des Zeugen. Die Angehö-
rigen des Beschuldigten (im Strafprozeß) oder einer Partei (im Zivil-
prozeß) sind zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt und vor ihrer
Vernehmung hierüber zu belehren. Als Angehörige gelten in dieser
Hinsicht der Verlobte, der Ehegatte, auch wenn die Ehe nicht mehr
besteht, und diejenigen Personen, welche in gerader Linie verwandt,
verschwägert oder durch Adoption verbunden oder in der Seitenlinie
bis zum dritten Grade verwandt oder bis zum zweiten Grade ver-
schwägert sind, auch wenn die Ehe, durch welche die Schwägerschaft
begründet ist, nicht mehr besteht?). In Zivilprozessen darf jedoch auch
der Angehörige einer Partei das Zeugnis nicht verweigern über die
Errichtung und den Inhalt eines Rechtsgeschäfts, bei dessen Errichtung
er als Zeuge zugegen war‘); ferner über Geburten, Verheiratungen
oder Sterbefälle von Familiengliedern sowie über Tatsachen, welche
die durch das Familienverhältnis bedingten Vermögensangelegenheiten
betreffen; endlich über diejenigen auf das streitige Rechtsverhältnis
1) Strafgesetzbuch Art. 138, Abs. 3.
2) Strafprozeßordnung $ 67, 68; Militärstrafgerichtsordnung 88 193, 194; Zivil-
prozeßordnung 88 395, 396.
3) Strafprozeßordnung 8 51; Militärstrafgerichtsordnung $ 187; Zivilprozeßord-
nung 8 383, Ziff. 1—3.
4) In der Zuziehung eines Urkundszeugen und der Uebernahme der Funktion
eines solchen liegt der Abschluß eines Zeugenvertrages, welcher eine weiter-
gehende Zeugnispflicht als die auf Gesetz beruhende begründet.