Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

500 8 92. Die Zeugenpflicht. 
sehung welcher erhellt, daß ohne Verletzung der Verpflichtung zur 
Verschwiegenheit ein Zeugnis nicht abgelegt werden kann). Da dieser 
Weigerungsgrund aber nicht im eigenen Interesse des Zeugen wurzelt, 
sondern im Interesse desjenigen, dessen Geheimnis er kennt, so fällt 
das Recht der Verweigerung des Zeugnisses fort, wenn der Zeuge von 
der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden ist?). 
Auch dieses Prinzip ist aber im Strafprozeß sehr erheblich ein- 
geschränkt; der Staat berücksichtigt die Pflicht zur Verschwiegenheit 
in großem Umfange, wo es sich um einen Streit über vermögensrecht- 
liche Interessen handelt, dagegen in viel geringerem Maße bei der 
Strafverfolgung. Hier sind zur Verweigerung der Aussage nur berech- 
tigt: Geistliche in Ansehung desjenigen, was ihnen bei Ausübung 
der Seelsorge anvertraut ist; Verteidiger des Beschuldigten in An- 
sehung desjenigen, was ihnen in dieser ihrer Eigenschaft anvertraut 
ist, falls sie nicht von der Verpflichtung zur Verschwiegenheil ent- 
bunden sind; und unter der gleichen Einschränkung Rechtsanwälte 
und Aerzte in Ansehung desjenigen, was ihnen bei Ausübung ihres 
Berufes anvertraut ist®). Oeffentliche Beamte sind nicht nur befugt, 
sondern auch verpflichtet, über Umstände, auf welche sich ihre Pflicht 
zur Amtsverschwiegenheit bezieht, die Zeugenaussage auch im Straf- 
prozeß zu verweigern, und es ist den Gerichten verboten, sie über 
solche Umstände zu vernehmen. Auch diese Beschränkung der Zeug- 
nispflicht fällt aber fort, wenn die vorgesetzte Dienstbehörde des Be- 
amten (oder bei Beamten außer Dienst die ihnen zuletzt vorgesetzt 
gewesene Dienstbehörde) die Vernehmung desselhen genehmigt‘), und 
diese Genehmigung darf nur versagt werden, wenn die Ablegung des 
Zeugnisses dem Wohle des Reiches oder eines Bundesstaates Nachteil 
bereiten würde). In Angelegenheiten der Arbeiter- und Angestellten- 
versicherung darf die Aussage nicht wegen der in diesen Gesetzen 
auferlegten Schweigepflicht verweigert werden). 
Wird die Ablehnung des Zeugnisses ohne Grund oder nach Ver- 
werfung des vorgeschützten Grundes verweigert’), so hat dies voll- 
kommen analoge Wirkungen wie die Verletzung der Erscheinungs- 
pflicht des Zeugen, nämlich: 
1) Zivilprozeßordnung 8 383, Abs. 3. 
2) Zivilprozeßordnung $ 385, Abs. 2. Hinsichtlich der Reichsbeamten siehe 
Reichsbeamtengesetz $ 12 (Bd. 1. S. 459). 
3) Strafprozeßordnung $ 52. 
4) Für den Reichskanzler bedarf es der Genehmigung des Kaisers, für die Mi- 
uister der Genehmigung des Landesherrn, für die Mitglieder der Senate der freien 
Hansestädte der Genehmigung des Senats. 
5) Strafprozeßordnung $ 53. 
6) Reichsversicherungsordnung $ 1574. Schweigepflicht $ 141 fg. — Angestellten- 
versicherungsgesetz $ 243, Abs. 2. Schweigepflicht 88 349 ff. 
7) Ueber das Verfahren behufs Entscheidung über die Zeugnispflicht vgl. Zivil- 
prozeßordnung $$ 386—389 und Strafprozeßordnung 8 55.
	        
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