Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

50 8 73. Das Post- und Telegraphenwesen. 
Monarchie ') und das Fürstentum Liechtenstein als Gebiete des Wech- 
selverkehrs angesehen °). 
c) Der Durchgangsverkehr umfaßt die Postsendungen, 
welche zwischen den Gebieten des Wechselverkehrs und fremden 
Staaten oder im Verkehr fremder Staaten unter sich vorkommen, in- 
sofern die Sendungen mindestens zwei Gebiete des Wechselverkehrs 
berühren. Durch Errichtung des Weltpostvereins ist der Unterschied 
zwischen dem Durchgangsverkehr und dem Wechselverkehr außer- 
ordentlich vermindert worden ’). 
II. Allgemeine Gesichtspunkte. 
Der staatliche Betrieb der Post und Telegraphie enthält an und 
für sich keine Betätigung eines Hoheitsrechtes, d. h. einer Herr- 
schaft über Land und Leute. Es gibt Staaten, in welchen gewisse 
Zweige der Geschäftstätigkeit, die in Deutschland die Post betreibt, von 
der öffentlichen Post ganz ausgeschlossen sind, z. B. die Beförderung 
von Personen und von Paketen. Ebenso könnte der Staat auch die 
Beförderung von Briefen und Zeitungen der Privatindustrie überlassen, 
d. h. auf den Betrieb des Postgewerbes ganz verzichten, ohne daß er 
dadurch ein staatliches Hoheitsrecht aufopferte*). Damit soll nicht 
1) Oesterr.-ungar. Postvertrag vom 7. Mai 1872, Art. 1. Schlußprotok. Ziff. 2. 
(Reichsgesetzbl. 1873, S. 1). 
2) Die Regelung des Wechselverkehrs unter den drei deutschen Postgebieten 
durch Reglements erfolgt seitens des Reichs; vgl. Aschenborn S.19; für den Wech- 
selverkehr mit Oesterreich und Ungarn enthält der Postvertrag v. 7. Mai 1872 ein- 
gehende Bestimmungen; weitere Regelungen erfolgen durch Vereinbarungen der Post- 
verwaltungen. 
3) Derinternationale Telegraphenverkehr ist durch den auf der 
Telegraphenkonferenz zu Rom vereinbarten Vertrag vom 14. Januar 1872 und den Pe- 
tersburger Vertrag vom 10./22. Juli 1875 geregelt. Amtsbl. der Reichstelegra- 
phenverw. 1875, S. 243. Die gleichzeitig vereinbarte „Ausführungsübereinkunft für 
den internationalen Verkehr“ wurde auf der Berliner Konferenz 1885 revidiert 
und gilt seit dem 1. Juli 1904 in der 1903 von der Londoner Konferenz beschlossenen 
Fassung. Der Petersburger Telegraphenvertrag gilt jetzt in der Londoner Revi- 
sion vom 10. Juli 1903. Mit einer großen Anzahl von Staaten, insbesondere mit sämt- 
lichen Nachbarstaaten des Reichs, sind außerdem Spezialverträge abgeschlossen worden. 
Ueber das Anwendungsgebiet des internationalen Telegraphenvertrags und der Aus- 
führungsbestimmungen siehe Fischer-König S. 470fg. Der Vertrag ist in amt- 
licher deutscher Uebersetzung abgedruckt daselbst S. 473. 
4) Dasselbe gilt von der Telegraphie. So ist z. B. in England erst durch Parla- 
mentsakte vom 31. Juli 1868 beschlossen worden, die Telegraphen durch Ankauf oder 
Expropriation zu erwerben und die Verwaltung der Telegraphie dem Staate zu über- 
tragen. MeiliS. 23. Wenn manche Schriftsteller den Betrieb der Post, Eisen- 
bahnen, Bergwerke usw. als Hoheitsrechte bezeichnen, so ist dies entweder 
eine hohle Redensart oder es wird dem Begriff des Hoheitsrechts ein Sinn beige- 
legt, der ihm jede feste Abgrenzung und juristische Brauchbarkeit entzieht. Die Be- 
hörden der staatlichen Betriebe sind keine Obrigkeiten im Sinne des Staats- 
rechts, denn sie haben niemandem etwas zu befehlen und zu verbieten als den in 
dem Betriebe Angestellten kraft des Dienstverhältnisses.
	        
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