86 $ 73. Das Post- und Telegraphenwesen.
gewährenden Leistungen, nicht beurteilt werden dürfen, wie Lei-
stungen, die der Staat zur Führung der Regierungsgeschäfte oder zur
Hebung der Volkswohlfahrt macht }), sondern als Leistungen des Fiskus
behufs Erfüllung der von ihm kontrahierten Verpflichtungen.
Daraus folgt ferner, daß prinzipiell die Postanstalt mit dem-
jenigen, der mit ihr kontrahiert, die Vertragsbedingungen verein-
baren kann, soweit nicht verbietende Rechtsgrundsätze entgegen-
stehen, und daß zur Ergänzung der vertragsmäßig getroffenen Bestim-
mungen die Vorschriften des Privatrechts zur Anwendung kommen.
Wie aber bereits in anderem Zusammenhang dargetan worden ist,
kann es den Postanstalten nicht in jedem einzelnen Falle über-
lassen sein, die Bedingungen des Vertrages zu verabreden, abgesehen
von einigen nicht wichtigen und minder häufigen Ausnahmefällen;
sondern die Post muß als öffentliche Verkehrsanstalt Normalbestim-
mungen aufstellen, unter denen sie gleichmäßig mit allen zu kon-
trahieren bereit ist. Dadurch wird die Vertragsfreiheit der Post
als einheitliches Institut nicht aufgehoben, sondern nur die
Befugnis der einzelnen Postämter und Postbeamten zur Vertretung der
Postanstalt beim Abschluß der Verträge beschränkt. Bei den ein-
zelnen Geschäften der Postanstalt können Abweichungen von den
dafür ergangenen allgemeinen Vorschriften und den Anordnungen des
Privatrechts nicht verabredet werden, soweit nicht ausnahmsweise
für besondere Fälle dies für statthaft erklärt ist”). Die Postverwal-
tungals solche aber kann durch Erlaß allgemeiner Anordnungen
Spezialvorschriften für die Geschäfte aufstellen, d. h. die naturalia ne-
gotii (das bürgerliche Recht) ausschließen, was sie auch in großem Um-
fange in der Postordnung getan hat?).
Reichsgericht (Entscheidungen in Strafsachen Bd. 3, S. 87) hat anerkannt, dab
für den Postbeamten das Porto zwar als Gebühr im Sinne der SS 352, 353 des
Strafgesetzbuches anzusehen sei, diesaber mit der vertragsmäßigen Verpflich-
tung zur Entrichtung nicht im Widerspruch stehe. Das Postporto ist Frachtlohn,
und für die jurist. Natur desselben ist es ohne Belang, ob es dem Fiskus oder einem
anderen Transportunternehmer geschuldet wird. Für die Portogebührenforderungen
besteht daher im Konkurse das Rangprivileg der öffentlichen Abgaben nicht, und
Streitigkeiten über die Verpflichtungen zu Portozahlungen gehören zur Zuständigkeit
der ordentlichen Gerichte.
1) Die Einrichtung und Erhaltung der Postanstalt als Ganzes gehört aller-
dings hierher, nicht aber das einzelne von der Postanstalt innerhalb ihres Ressorts
geschlossene Geschäft.
2) So z. B. Vereinbarungen über das Abholen von Postsendungen, über Einrich-
tung von Postfächern, über Kreditierung und Kontierung von Porto und dgl.
3) Vollkommen unbegründet ist die von Zorn und Arndt aufgestellte Behaup-
tung, daß die Postbeförderungsverträge deshalb keine obligatorischen Rechtsgeschäfte
sein können, weil ihr Inhalt typisch ist, im einzelnen Falle nicht vereinbart wird,
sondern ein für allemal feststeht. Wäre dies richtig, so würden auch die Frachtver-
träge und Passagierverträge mit Eisenbahnverwaltungen, mit Einschluß der Privat-
bahnen, mit Dampfschiffsunternehmern, mit Theaterunternehmern, überhaupt mit je-
dem Gewerbetreibenden, dessen Angestellte nach festbestimmten Bedingungen kon-