Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

104 8 108. Der Landsturm. 
Gesetzes aus allen Wehrpflichtigen (vom vollendeten 17. bis zum voll- 
endeten 42. Lebensjahr), welche weder dem Heere noch der Marine 
angehören. Er sollte gemäß $ 16 desselben Gesetzes auf Befehl des 
Bundesfeldherrn zusammentreten, aber nur dann, wenn ein feindlicher 
Einfall Teile des Bundesgebietes bedroht oder überzieht. In Ergän- 
zung dieser Bestimmung fügte $ 6 des Militärgesetzes von 1874 hinzu, 
daß die Organisation des Landsturms vom Kaiser, dagegen die Dienst- 
verhältnisse der Landsturmpflichtigen durch ein Gesetz bestimmt werden 
sollen. Zur Ausführung dieser Anordnung erging das Reichsgesetz über 
den Landsturm, vom 12. Februar 1875 (Reichsgesetzblatt S. 63). 
Eine wesentliche Umgestaltung erfuhr diese Institution durch das 
Reichsgesetz vom 11. Februar 1888, welches das Gesetz vom 
12. Februar 1875 aufgehoben hat. Die Reform erstreckte sich nach 
drei Richtungen. Das Aufgebot des Landsturms ist nicht mehr auf 
den Fall eines feindlichen Einfalls in das Bundesgebiet beschränkt, son- 
dern dem Landsturm ist ganz allgemein die Pflicht zugewiesen, »an 
der Verteidigung des Vaterlandes teilzunehmen«, und »er kann in 
Fällen außerordentlichen Bedarfs zur Ergänzung des Heeres und 
der Marine herangezogen werden« (Gesetz $ 23). Sodann ist der Land- 
sturm in zwei Aufgebote geteilt und die Landsturmpflicht bis zum 
vollendeten 45. Lebensjahre erweitert worden (Gesetz $ 24). Endlich 
ist der Aufruf des Landsturms nicht bloß durch kaiserliche Verord- 
nung, sondern bei unmittelbarer Kriegsgefahr im Bedarfsfalle auch 
durch die kommandierenden Generale und die Gouverneure und Kom- 
mandanten von Festungen für zulässig erklärt worden (Gesetz $ 25). 
II. Der Landsturm ist kein ungeregeltes Massenaufgebot, sondern 
ein organisierter Bestandteil der bewaffneten Macht, der als solcher 
erkennbar gemacht und den Militärgesetzen und der Disziplinarordnung 
unterworfen ist. »Nachdem der Aufruf ergangen ist, finden auf die 
von demselben betroffenen Landsturmpflichtigen die für die Landwehr 
(Seewehr) geltenden Vorschriften Anwendung« (Gesetz $ 26)'. An 
einer Friedensorganisation des Landsturms fehlt es; wenn der Land- 
sturm nicht aufgerufen ist, dürfen die Landsturmpflichtigen auch kei- 
nerlei Kontrolle und Uebungen unterworfen werden (Gesetz $ 31). Die 
Kriegsorganisation wird vom Kaiser bestimmt. Dieser Grundsatz 
des 86 des Militärgesetzes ist in Kraft geblieben, durch das Gesetz vom 
11. Februar 1888 aber in folgender Weise beschränkt worden: 
1. Zum Landsturm I. Aufgebotes gehören die Landsturmpflichtigen 
bis zum 31. März desjenigen Kalenderjahres, in welchem sie ihr 39. Le- 
bensjahr vollenden, jedoch mit Ausnahme derjenigen Personen, welche 
vor diesem Zeitpunkte ihre Dienstpflicht in der Landwehr II. Aufge- 
botes abgeleistet haben?). Infolge dieser Ausnahme besteht der Land- 
sturm I. Aufgebotes nur aus militärisch unausgebildeten Mann- 
. I) Ueber die Landsturmpflicht vgl. unten $ 106. 
2) Gesetz vom 11. Februar 1888, $ 24, Abs. 2 und 3. 
 
	        
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