Das Denisqhe Reith und seine einzelnen Glieder. (Oktober Ende.) 119
gewesen sei, 1890 aber bei der Abwandlung der russischen Politik wertlos
geworden sei. Die Veröffentlichung sei bedauerlich, da dadurch bei den
Bundesgenossen der Eindruck einer ungeheuren Treulosigkeit Deutschlands
hervorgerufen sei.
Eine Außerung des Fürsten Bismarck zu dieser Frage be-
richten die „Leipz. Neuesten Nachrichten":
„Als das Gespräch bei Tisch auf das Tagesereignis, die Hamburger
Enthüllungen und den Lärm kam, den die europäische Presse darüber er-
hoben hat, äußerte er lächelnd: „Ja, ich habe mir wohl gedacht, daß der
Stein, welchen die „Hamburger Nachrichten“ in den Entenpfuhl geworfen
haben, ein lautes Gequak hervorbringen würde, aber daß der Lärm so arg
werden würde, ist mix doch überraschend.“ Ein andermal unterbrach der
Fürst seine Zeitungsleküre mit der Frage: „Was damit bezweckt wird,
möchten die Blätter wissen?" Daran schloß sich eine Bemerkung in dem
Sinne, daß dies lediglich Sache derjenigen sei, welche die von Hamburg
aus erfolgten Mitteilungen über das deutsch-russische Abkommen für nötig
gehalten hatten. Auf eine weitere Frage antwortete der Fürst: „Oh, da
überschätzen Sie meine politische Leidenschaft. Ich habe ja auch ebenso
wenig Verantwortlichkeit wie Einfluß, und ich erlebe auch schwerlich die
Folgen dessen, was jetzt geschieht oder unterbleibt. Aber ich bedaure doch,
daß, nachdem wir dreißig Jahre im Aufschwung gewesen sind, jetzt die Sache
rückwärts geht. Ich erlebe ja das Ende nicht, aber für meine Söhne thut
es mir leid. Nun, sie mögen sehen, wie sie fertig werden.“ Jemand wies
auf die jetzigen und früheren Preßdrohungen an die Friedrichsruher Adresse
hin, daß dem Fürsten „der Prozeß gemacht werden müsse“. Dazu meinte
der Fürst: „Ja, ich meinerseits habe gar nichts dagegen, wenn sie mir einen
dramatischen Abschluß gestalten wollen." Dadurch wurde das Gespräch
wieder auf das hohe Alter des Fürsten gelenkt und auf die Hoffnungen,
die seine Feinde und Gegner darauf gründeten. Mit gutmütigem Lächeln
äußerte der Fürst: „Gegen das Alter bin ich freilich machtlos; aber ich
fühle mich doch noch nicht so hinfällig, wie die Herren glauben, daß ich
bin. Es geht ja abwärts auf meinem Lebenswege, aber doch nur lang-
sam."“ Die Rede kam dann auf die Angriffe, welche die „Kölnische Zeitung"“
versteckt oder direkt gegen den Fürsten richtete, und ein Tischgenosse sprach
den Wunsch aus, daß das Blatt einer gebührenden Zurechtweisung nicht
entgehen möge. Der Fürst lehnte mit einer charakteristischen Handbe-
wegung dies ab und meinte, der Artikel sei zu roh, er werde das Blatt
überhaupt nicht mehr lesen."“
Anf. November bringt die „Bank= und Handelsztg.“
folgende Mitteilung:
Zar Nikolaus II. hatte die Absicht, während seines Aufenthalts in
Deutschland dem Fürsten Bismarck in Friedrichsruh einen Besuch abzu-
statten. Der junge Zar hegt für den deutschen Staatsmann das Gefühl
aufrichtiger Verehrung und Zuneigung. Das Vorhaben seines Besuchs war
kein Geheimnis. Der Besuch ist unterblieben, auf eine Anregung hin, die
nicht von niedriger Stelle kam. Wenn der Zar auf die Erfüllung seines
Vorhabens und Wunsches verzichtete, so konnte es nur geschehen sein, weil
ihm von höchster Regierungsstelle der Verzicht nahegelegt wurde. Wie wir
zuverlässig erfahren, ist das auch der Fall gewesen.
Dazu schreibt der „Reichs-Anzeiger“: „Wir sind zu der Erklärung
ermächtigt, daß weder an Allerhöchster Stelle, noch in amtlichen Kreisen
von einer Absicht des russischen Kaisers, den Fürsten Bismarck zu besuchen,