14 8 96. Die Einheitlichkeit des Militärrechts u. der Herreseinrichtungen.
nisverträge von Versailles vom 15. November 1870 und von Berlin
vom 25. Novembar 1870'); endlich Elsaß-Lothringen durch das Gesetz
vom 23. Januar 1872 (Gesetzbl. f. Els.-Lothr. S. 83).
Für Bayern wurde dagegen durch den Bündnisvertrag vom
23. November 1870 unter IIl, 85 und durch die Schlußbestimmung
zum IX. Abschn. der Reichsverfassung ein anderer Grundsatz aner-
kannt. Die erste der beiden oben erwähnten Vorschriften der Reichs-
verfassung, die im Art. 4, Ziff. 14 sanktionierte unumschränkte Kom-
petenz des Reiches zur Militärgesetzgebung findet auch auf Bayern
volle Anwendung; dagegen ist die im Art. 61 der Reichsverfassung aus-
gesprochene Regel hinsichtlich Bayerns ausgeschlossen. Die in Bayern
zur Zeit der Errichtung des Reiches in Geltung gewesene Militärgesetz-
gebung nebst den dazu gehörigen Vollzugsinstruktionen, Verordnungen,
Erläuterungen usw. wurde in Kraft erhalten; die Einführung der be-
reits vor dem Eintritte Bayerns in den Bund in dieser Hinsicht er-
lassenen Gesetze und sonstigen Bestimmungen in Bayern wurde von
»freier Verständigung«, d. h. von der Einwilligung der bayerischen
Regierung abhängig gemacht ?); nur das in den Art. 57 und 59 der
Reichsverfassung anerkannte Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht
hat für Bayern sofort Geltung erhalten. |
Sonach bildet das Bundesgebiet ein einheitliches Rechts-
gebiet nur hinsichtlich derjenigen Militärgesetze, welche seit Errich-
tung des Deutschen Reiches erlassen worden sind; hinsichtlich aller
übrigen auf das Heerwesen bezüglichen Rechts- und Verwaltungsvor-
schriften dagegen zerfällt es in zwei Rechtsgebiete, welche man
als die des preußischen und des bayerischen Rechts einan-
der gegenüberstellen kann ?). Der Gegensatz der beiden letzteren hat
aber mit der fortschreitenden Ausbildung der Reichs- Militärgesetz-
gebung und der allmählichen Umgestaltung der bayerischen Heeresein-
richtungen nach preußischem Vorbilde seine praktische Bedeutung
eingebüßt. Das in der Reichsverfassung Art. 61 in Aussicht genommene
umfassende Reichsmilitärgesetz« wurde nicht erlassen, sondern es
1) Bundesgesetzbl. 1870, S. 650-655. Für Württemberg wurden in der
Militärkonvention vom 21./25. November 1870, Art. 10 zwar einige Ausnahmen ge-
macht, indem gewisse württembergische Gesetze und Einrichtungen vorerst und
bis zur Regelung im Wege der Bundesgesetzgebung in Geltung verbleiben sollten;
dieser Vorbehalt hat aber gegenwärtig, abgesehen von der Militärkirchenordnung;,
seine praktische Bedeutung verloren.
2) Vertrag vom 23. November 1870, III, S 5, Ziff. 1.
3) Das ältere bayerische Militärrecht ist zum größten Teile kodifiziert in dem
Gesetz, betreffend die Wehrverfassung, vom 30. Januar 1868, wel-
ches sich im wesentlichen an die preuß. Gesetzgebung anschloß. Seydel, Baye-
risches Staatsrecht Bd. 3, S. 700. Zu demselben ist ein ausführlicher Kommentar er-
schienen von M. Stenglein, Erlangen 1869. (In „Die Gesetzgebung des König-
reichs Bayern seit Maximilian II.“, Tl. II, Bd. 5.)