Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

182 8 106. Die gesetzliche Wehrpflicht. 
in welchem er das 23. Lebensjahr vollendet, zurückgestellt und ist 
bis zum Ablauf dieser Frist von der Gestellung dispensiert'). Aus- 
nahmsweise kann die Zurückstellung bis zum 1. Oktober des siebenten 
Militärpflichtjahres, d. i. des Jahres, in welchem das 26. Lebensjahr 
vollendet wird, erstreckt werden’). Auch eine Aushebung der zum 
einjährig-freiwilligen Dienst Berechtigten findet nicht statt; sie haben 
sich vielmehr bis zum Ablauf der ihnen gewährten Zurückstellungs- 
pflicht zum Dienstantritt zu melden, widrigenfalls sie die Berechtigung 
verlieren. Dieselbe kann ihnen jedoch durch die Ersatzbehörde dritter 
Instanz wieder verliehen werden°). Bei ausbrechendem Kriege müssen 
sich alle zum einjährig-freiwilligen Dienst Berechtigten, welche bereits 
in das militärpflichtige Alter eingetreten sind, auf Öffentliche Aufforde- 
rung sofort zum Heeresdienst stellen ‘). 
4. Aktive Dienstpflicht. Dieselbe ist in folgenden Bezie- 
hungen von der Dienstpflicht der gemeinen Soldaten verschieden : 
a) Den Freiwilligen steht die Wahl des Truppenteiles, bei 
welchem sie ihrer aktiven Dienstpflicht genügen wollen, innerhalb des 
ganzen Reiches frei°). Der Diensteintritt derselben findet alljährlich 
bei der Infanterie am 1. April und 1. Oktober, bei dem Train am 
1. November, bei den übrigen Waffengattungen am 1. Oktober statt®). 
Bei der Meldung ist der Berechtigungsschein und ein obrigkeitliches 
Attest über die sittliche Führung seit Erteilung der Berechtigung vor- 
zuzeigen, worauf der Kommandeur des Truppenteils die ärztliche Un- 
tersuchung des sich Meldenden veranlaßt. Bei derselben dürfen die 
1) Wehrordnung 8 93, Ziff. 1—3. 
2) Militärgesetz $ 14, Abs. 1; $ 20, Ziff. 6. Wehrordnung $ 29, Ziff. 4c; 8 9, 
Ziff. 6. Die Ersatzbehörde dritter Instanz kann ausnahmsweise Zurückstellungen 
bis zum 1. Oktober des neunten Militärpflichtjahrs, und zwar in der Regel von Jahr 
zu Jahr, genehmigen. Wehrordnung $ 29, Ziff. 7. 
3) Militärgesetz $ 14, Abs. 2; Wehrordnung $ 3%, Ziff. 8. 
4) Militärgesetz $ 14, Abs. 1. Vgl. Wehrordnung 8 98, Ziff. 3—5. 
5) Wehrgesetz 8 17, Abs. 2. Nur in größeren Garnisonen erfolgt nach Anord- 
rung des Generalkommandos die Verteilung der Freiwilligen auf die Truppenteile der 
gewählten Waffengattung durch die denselben vorgesetzte Militärbehörde. Wehrord- 
nung 8 94, Ziff. 3, Abs. 2. Durch die Novelle vom 6. Mai 1880 ist ferner dem Militär- 
gesetz $ 14 der Zusatz beigefügt worden, daß Truppen der Feldartillerie und des 
Trains an Orten, wo außerdem Truppen zu Fuß garnisonieren, zur Annahme von 
Einjährig-Freiwilligen nur insoweit verpflichtet sind, als die Zahl von vier Einjährig- 
Freiwilligen bei jeder Batterie und Kompagnie nicht überschritten wird. Wird der 
Truppenteil, in welchem ein Einjährig-Freiwilliger dient, in Friedenszeiten in eine 
andere Garnison verlegt, so wird: der Freiwillige auf seinen Wunsch zu einem in der 
Garnison oder in der Nähe derselben verbleibenden Truppenteil versetzt. Wehrord- 
nung $ 94, Ziff. 11. Die mit dem Berechtigungsschein versehenen Wehrpflichtigen, 
welche in dem südwestafrikanischen Schutzgebiet ihren Wohnsitz haben, dürfen zum 
einjährig-freiwilligen Dienst in die dortige Schutztruppe eingestellt werden. Verord- 
nung vom 30. März 1897, 8 3 (Reichsgesetzbl. S. 167); die entsprechende Bestimmung 
enthält für Kiautschou die Verordnung vom 27: Februar 1899, Ziff. 1. 
6) Hinsichtlich der Marine siehe Marineordnung $ 24, Ziff. 7.
	        
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