$ 107. Die freiwillig übernommene Militärdienstpflicht. 189
ein Konsens erforderlich zwischen demjenigen, welcher sich zum
Dienst im Heere oder in der Flotte verbindlich macht, und dem
Kontingentsherrn, welcher diese Dienste annimmt. Der durch diesen
Konsens zustande kommende Vertrag hat im heutigen Recht aller-
dings nicht die Natur eines obligatorischen Vertrages des Privatrechts,
einer gewöhnlichen Dienstmiete, sondern er ist ein Dienstvertrag des
öffentlichen Rechts in dem Bd. 1, 8 45 dargelegten Sinne; immerhin
ist er aber ein Vertrag. Hierauf beruht der prinzipielle Gegensatz des
berufsmäßigen Militärdienstes gegenüber dem Militärdienst auf Grund
der Wehrpflicht; das juristische Fundament der Verpflichtung ist ein
verschiedenes; dort ist es ein Gesetz, hier der freie Wille des Indi-
viduums, das Rechtsgeschäft!).
Beide Rechtsgründe können allerdings teilweise zusammentreffen.
In diesem Falle kommt die Wehrpflicht formell nicht zur Wirksam-
keit, denn die vertragsmäßige Dienstpflicht ist stets die weiterreichende,
die gesetzliche Verpflichtung überdeckende Die gesetzliche Wehr-
pflicht besteht aber virtuell fort und tritt wieder in Wirksamkeit, wenn
die vertragsmäßige Dienstpflicht aufgehoben wird. So treten Offiziere
des aktiven Dienststandes, welche vor Beendigung ihrer gesetzlichen
Dienstpflicht aus dem aktiven Dienst entlassen werden, nach der
Jahresklasse, welcher sie angehören, als Offiziere des Beurlaubtenstan-
des zur Reserve oder Landwehr über?) und ebenso haben Kapitulan-
ten nach ihrer Entlassung der Reserve-, Landwehr- und Landsturm-
pflicht nach Maßgabe ihrer Dienstjahre zu genügen.
Der Eintritt in den berufsmäßigen Militärdienst ist Eintritt in den
berufsmäßigen Staatsdienst; der Offizier ist im juristischen Sinne ein
Staatsbeamter°); die von ihm verwaltete Stelle im Heere ist im juristi-
schen Sinne ein Staatsamt; die ihm obliegenden Pflichten sind Beam-
tenpflichten. Nichtin den Grundsätzen über die Wehr-
pflicht, sondern in den Grundsätzen des Beamten-
rechts sind demnach die allgemeinen Rechtsnormen
zu suchen, welche für das Dienstverhältnis der Offi-
ziere usw. maßgebend sind, und wenn auch im einzelnen
1) Anderer Ansicht mit völlig unzutreffender Begründung Arndt, Staatsrecht
S. 546.
2) Heerordnung 8 49. Ausgenommen sind nur diejenigen Offiziere, welche mit
schlichtem Abschied entlassen oder aus dem Offizierstande entfernt werden. Eben-
daselbst Ziff. 2.
3) Siehe Bd.1, S. 172, Note 2. Der Offizier ist Staats beamter, nicht Reichs-
beamter. Zustimmend Seydel, Bayer. Staatsrecht III, S. 725. Unrichtig Arndt,
S.551fg. Daß für den Offiziersdienst einige Besonderheiten bestehen, wie dies auch
für das Rechtsverhältnis der richterlichen Beamten und für viele andere Beamten-
kategorien der Fall ist, schließt nicht aus, daß der Offiziersdienst seinem Wesen
nach Staatsdienst und der Offizier mithin Staatsbeamter ist. Vgl. auch Apel in
Fleischmanns Wörterb. Bd. III, S. 11; Erhard in Dietz Handwörterb. des Militär-
rechts S. 595fg.; Gordan iin Hirths Annalen 1908, S. 473 fg.