Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

190 $ 107. Die freiwillig übernommene Militärdienstpflicht. 
zahlreiche und erhebliche Modifikationen in der Anwendung und 
Durchführung der Rechtssätze bestehen, so gibt es doch keinen ein- 
zigen allgemeinen Rechtsbegriff, der nicht gleichmäßig für Offiziere, 
Unteroffiziere, Militärärzte und Militärbeamte wie für die Staatsbeam- 
ten des Zivildienstes Anwendung fände. 
Insbesondere ist es für das juristische Verständnis des hier in 
Rede stehenden Rechtsverhältnisses erforderlich, die Dienstpflicht 
als solche von dem infolge derselben übertragenen Amte (Kom- 
mando) begrifflich zu unterscheiden. Das Dienstverhältnis erzeugt 
auch außeramtliche Pflichten, deren Erfüllung auch dann dem Offizier 
usw. obliegt, wenn ihm ein Amt (Kommando) nicht übertragen 
ist, wenn er »zur Disposition« gestellt ist. Andererseits kann ein Kom- 
mando auch demjenigen erteilt werden, welcher nicht kraft freiwilligen 
Eintrittes in den Dienst, sondern kraft gesetzlicher Wehrpflicht das- 
selbe zu übernehmen verbunden ist. Der Zweck des Dienstvertrages 
besteht eben darin, daß sich der Staat geeignete Individuen verschafft, 
denen er ein Kommando wirksam erteilen kann, weil die gesetzliche 
Wehrpflicht hierzu ganz ungenügend ist. Die Begründung des Dienst- 
verhältnisses geht der Erteilung eines wirksamen Kommandos begriff- 
lich voraus; durch ein Kommando kann das Dienstverhältnis nicht 
begründet werden; denn ein Kommando kann nur demjenigen erteilt 
werden, welcher verpflichtet ist, ihm Gehorsam zu leisten. Tatsäch- 
lich erfolgen beide Akte, die Begründung der Dienstpflicht und die 
Erteilung einer Dienststelle (Kommando) gewöhnlich gleichzeitig. Die 
Pflicht, ein Kommando zu übernehmen und sich der hiermit verbun- 
denen Tätigkeit zu widmen, ist Folge und Inhalt des Dienstverhält- 
nisses, dagegen der konkrete Umfang der zu führenden amtlichen 
Geschäfte und der auszuübenden staatlichen Hoheitsrechte bestimmt 
sich nach dem übertragenen Amte. Namentlich hat die militärische 
Befehlsgewalt über Untergebene ihr rechtliches Fundament niemals in 
dem Dienstvertrage der Anstellung, sondern ausschließlich in dem 
Amtsauftrage, d. h. in einer staatlichen Delegation. 
2. Unter den Personen, welche eine staatliche Dienstpflicht in dem 
Heere oder in der Marine übernommen haben, lassen sich mehrere 
Klassen unterscheiden. Sie zerfallen zunächst in Personen des 
Soldatenstandes undMilitärbeamte; eine Unterscheidung, 
welche juristisch von der größten Bedeutung ist, indem das Reichs- 
beamtengesetz auf Militärbeamte Anwendung findet, auf Personen des 
Soldatenstandes dagegen nicht'), während andererseits das Militärstraf- 
gesetzbuch im Frieden nur für Personen des Soldatenstandes Geltung 
hat, für Militärbeamte dagegen nur im Felde und auch in diesem 
Falle nur teilweise (Tit. I, Abschn. 1, 2, 3, 6, 8)2). 
Die Personen des Soldatenstandes zerfallen wieder in zwei Klassen, 
1) Siehe Bd. 1, S. 446fg. Eine Ausnahme bilden die 8$ 134—-138. 
2) Militärstrafgesetzbuch 8 153, 154.
	        
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