Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

194 8 107. Die freiwillig übernommene Militärdienstpflicht. 
laubtenstandes lediglich eine Ehrenstrafe ist, für Berufsoffiziere dagegen 
zugleich die Entziehung einer Einnahmequelle bewirkt. 
In Anwendung dieses Grundsatzes ergeben sich folgende Regeln: 
a) Die Erfüllung der mit der dienstlichen Stellung verbundenen 
Obliegenheiten ist gesichert durch die Bestimmungen im Militärstraf- 
gesetzbuch 8 64 ff. über die Bestrafung der unerlaubten Entfernung 
von der Dienststellung. Eine freiwillige Entfernung von der Dienst- 
stellung ist nur gestattet nach vorher eingeholtem Urlaub. Die Be- 
stimmungen über Urlaubserteilungen sind — unter Aufhebung aller 
früheren Anordnungen — zusammengefaßt worden in der Verordnung 
vom 23. Oktober 1879 (Armeeverordnungsbl. S. 223 fg.); für Militär- 
ärzte in der Verordnung vom 7. Februar 1873 & 30, 31. Ist ein Offi- 
zier durch Krankheit an der Wahrnehmung des Dienstes verhindert, 
so ist er verpflichtet, dies beim Feldwebel resp. Adjutanten melden zu 
lassen, und es steht dem Vorgesetzten frei, sich von dem Krankheits- 
zustande durch den Bataillons- oder Regimentsarzt in Kenntnis zu 
erhalten !). 
Ob Offiziere im aktiven Dienste zum Eintritt in den Reichstag eines 
Urlaubs bedürfen, ist zweifelhaft. Da Offiziere unter den allgemeinen 
Begriff der Beamten fallen und Militärpersonen hinsichtlich der Wähl- 
barkeit in den Reichstag keiner Beschränkung unterworfen sind, so 
ist es wohl dem Sinne des Art. 21, Abs. 1 der Reichsverfassung ent- 
sprechend, ihn auch auf Offiziere zu beziehen ?2); andererseits ist aber 
nicht zu übersehen, daß nach dem regelmäßigen Sprachgebrauch der 
Reichsgesetze der Ausdruck Beamte die Personen des Soldatenstandes. 
nicht mit umfaßt. Vgl. Bd. I, S. 337. 
b) Die Verletzung der militärischen Treu- und Gehorsamspflicht 
unterliegt hinsichtlich der Berufsoffiziere, Aerzte usw. denselben Re- 
geln, welche oben S. 156 fg. bei Erörterung der gesetzlichen Wehr- 
pflicht dargestellt worden sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Vor- 
schriften über Beschwerden gegen Vorgesetzte; jedoch mit der Modi- 
fikation, daß die Offiziere des Heeres und der Marine, die Mitglieder 
des Sanitäts- und Veterinäroffizierskorps und die Maschineningenieure 
verpflichtet sind, bevor sie ihre Beschwerden der Entscheidung des. 
kompetenten Vorgesetzten zuführen, in Verhandlungen über eine dienst- 
liche Vermittlung einzutreten >). 
c) Die Pflicht des achtungswürdigen Verhaltens ist bei dem Offi- 
zierstande in besonderer Weise ausgeprägt. Die Offiziere sind nicht 
1) Frölich]L S. 204. 
2) Uebereinstimmend Zorn, Staatsrecht I, S. 232; anderer Ansicht Meyer, 
Verwaltungsrecht II, 8 215, Note 22. Der Entwurf zum Militärgesetz $ 44, Abs. 2 
enthielt eine Bestimmung, wonach Angehörige des aktiven Heeres in Kriegszeiten 
keinen Anspruch auf Beurlaubung zur Teilnahme an den Sitzungen des Reichstages 
oder einer Landesvertretung haben; der Reichstag strich dieselbe aber. 
3) Die näheren Anordnungen sind enthalten in der Verordnung vom 30. März 1895.
	        
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