8 110. Begriff der Militärlasten und allgemeine Rechtssätze. 257
fehles hat. Die zum Erlaß dieses Befehles zuständigen Behörden
haben selbständig zu prüfen, ob die im Gesetz erforderten Voraus-
setzungen im gegebenen Falle vorhanden sind oder nicht; das Re-
sultat dieser Prüfung ist für den Militärlastpflichtigen bindend. Wenn
die Behörde dabei pflichtwidrig verfährt, so treten die Bd. 1 8 48 er-
örterten Rechtsfolgen der Pflichtverletzung ein, insbesondere auch die
Verpfliehtung zum Schadensersatz.
Aus den vorstehenden Erörterungen ergibt sich, daß alle Militär-
lasten ihrem juristischen Charakter nach eine gewisse Verwandtschaft
mit der Expropriation haben. Die Enteignung ist gleichsam der
Grundtypus derselben. Die Militärlasten haben mit der Enteignung
die wesentlichen Merkmale gemein, daß sie Eingriffe des Staates im
öffentlichen (militärischen) Interesse in die Privatrechtssphäre des ein-
zelnen sind, daß der Rechtsgrund für die Befugnis hierzu im Öffent-
lichen Recht gegeben ist und demgemäß auch die Voraussetzungen,
unter denen diese Eingriffe gestattet sind, durch das öffentliche Recht
bestimmt werden, daß zu den Voraussetzungen ein Bedürfnis gehört,
welches ohne diese Eingriffe entweder gar nicht oder nicht in ge-
nügender oder zweckentsprechender Weise befriedigt werden kann,
und endlich daß die Anwendung dieser Befugnis die Verpflichtung zur
Entschädigung nach sich zieht'!).
Einige Militärlasten stimmen mit der Expropriation auch noch
darin überein, daß sie auf Entziehung des Eigentums gerichtet sind,
so zZ. B. die Pferdeaushebung, so daß der Unterschied gegen die ge-
wöhnliche Expropriation nur in dem anders geregelten Verfahren be-
steht. Die Mehrzahl der Militärlasten geht aber nicht auf Ent-
ziehung oder Beschränkung des Eigentums, sondern auf die
Lieferung von Sachen oder auf Leistung von Arbeit, also
also auf ein dare, facere, praestare. Deshalb können die von der Ex-
propriation geltenden Rechtsregeln keine unmittelhare und vollkom-
mene Anwendung auf die Militärlasten finden, sondern nur eine all-
gemeine Analogie bieten. Immerhin ist aber die Erkenntnis dieser
Analogie, d. h. der begrifflichen Gleichartigkeit der Enteignung und
der Militärlasten, für das Verständnis der rechtlichen Natur der letz-
teren von Wichtigkeit.
II. Die Militärlasten dienen, wie erwähnt, nicht zur Durchführung
dauernder und regelmäßiger Aufgaben der Militärverwaltung, sondern
zur Befriedigung besonderer und ungewöhnlicher, in eigentümlichen
tatsächlichen Verhältnissen begründeter Bedürfnisse. Hieraus ergibt
sich eine Einteilung derselben in drei Klassen. Die Bedürfnisse, zu
deren Abhilfe die Militärlasten auferlegt sind, bestimmen sich für die
Verhältnisse des Friedens durch wesentlich andere Momente wie für
—
1) Vgl. meine Abhandlung über die Expropriation im zivilist. Archiv Bd. 52,
S. 169 ff.