Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

258 5 110. Begriff der Militärlasten und allgemeine Rechtssätze. 
den Krieg. Zur Zeit des Krieges oder der Kriegsvorbereitungen sind 
die Bedürfnisse umfangreicher, dringender, vielseitiger; andererseits 
ergibt sich aber gerade aus den Verhältnissen des Friedenszustandes 
die Notwendigkeit gewisser Lasten, auf welche im Kriege verzichtet 
werden kann, da durch die Mobilmachung für die entsprechenden Be- 
dürfnisse gesorgt wird‘). Auch bringen die Verhältnisse des Krieges 
es mit sich, daß andere Vorschriften über Erhebung und Verteilung 
der Militärlasten und über die Vergütung für Leistung derselben gel- 
ten müssen, wie im Frieden. Hieraus ergibt sich die durchgreifende 
Einteilung in Friedensleistungen und in Kriegsleistungen. Zu 
diesen beiden Klassen tritt hinzu als eine dritte eigenartige Kategorie 
die Beschränkung des Grundeigentums in der Umgebung der Festungen. 
Diese Beschränkungen beruhen auf örtlichen Verhältnissen und sind 
im Krieg und Frieden gleichmäßig fortdauernd; indessen treten auch 
hier im Kriege, d. h. im Falle einer Armierung der Festung, noch be- 
sondere Verpflichtungen hinzu. 
Diese Einteilung ist auch von der Gesetzgebung des Deutschen 
Reiches bei der Regelung dieser Materie zugrunde gelegt worden. Die 
Militärlasten für den Friedenszustand sind geregelt durch zwei Gesetze, 
von denen das eine am 25. Juni 1868 die Quartierleistung, das andere 
vom 13. Februar 1875 und die Novelle vom 24. Mai 1898 alle übrigen 
»Naturalleistungen« behandelt; die Militärlasten für den Kriegszustand 
haben ihre Regelung gefunden durch das Gesetz über die Kriegs- 
leistungen vom 13. Juni 1873; endlich die Beschränkungen des Grund- 
eigentums in der Umgebung von Festungen sind geregelt worden durch 
das sogenannte Festungsrayongesetz vom 21. Dezember 1871. 
III. Die Entschädigungspflicht für die Erfüllung der Militärlasten 
trifft den Reichsfiskus, und zwar nicht nur materiell oder in- 
direkt, indem er etwa die erforderlichen Beträge den Staatskassen der 
Bundesglieder zu überweisen hätte, sondern formell und direkt. Daß 
das Reich materiell diese Kosten tragen muß, versteht sich von selbst, 
da ihm die gesamten Kosten der Armee und Flotte mit Einschluß 
aller Festungen und anderen Verteidigungsanstalten in Krieg und 
Frieden verfassungsmäßig obliegen. Aber auch formell ist nicht der 
Fiskus eines einzelnen Staates, sondern der Reichsfiskus verpflichtet ?). 
Denn die Kriegsleistungen und Rayonbeschränkungen werden erfor- 
derlich durch Willensakte des Reiches, nicht durch Handlungen der 
Einzelstaaten, da nur das Reich imstande ist, Krieg zu führen und 
1) Hierher gehört namentlich die Bespannung der Truppenfahrzeuge und des 
Trains. Da dieselbe bei Rückführung der Armee auf den Friedenszustand nicht bei- 
behalten werden kann, so ergibt sich die Notwendigkeit, im Frieden Vorspann in An- 
spruch zu nehmen. Ferner ist zu erwähnen die Benutzung von Grundstücken für 
Truppenübungen. 
2) Uebereinstimmend das Urteil des Reichsgerichts vom 16. Dezember 1885. 
Entsch. in Zivilsachen Bd. 15, S. 37.
	        
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