& 96. Die Einheitlichkeit des Militärrechts u. der Heereseinrichtungen. 25
mäß auch weder in der Reichsverfassung bei Aufzählung der kaiser-
lichen Rechte in Art. 63, Abs. 3 und 4 und Art. 64 fg. erwähnt, noch
im Militärgesetz vom 2. Mai 1874, welches in den 8$ 7 und 8 den
Erlaß gewisser Vorschriften dem Kaiser überträgt, als ein allgemeines
anerkannt.
Mit diesem Grundsatz stimmt das tatsächliche Verfahren überein.
Die Verordnungen werden nicht »im Namen des Reichs« erlassen;
sie werden nicht vom Reichskanzler, sondern vom preußischen
Kriegsminister kontrasigniert und nur wenn sie zugleich die Etats
berühren, werden sie doppelt kontrasigniert, für die Finanzverwal-
tung vom Reichskanzler, für die Kommandobehörden vom Kriegs-
minister; sie werden nicht von Reichs wegen, sondern im preußischen
Armeeverordnungsblatt verkündigt. In derselben Weise werden sie
dann gleichlautend in den Armeeverordnungsblättern von Sachsen
und Württemberg bekannt gemacht und zwar nicht vom Kaiser, nicht
vonı Bundesratsausschuß, nicht vom kommandierenden General, son-
dern ebenso wie in Preußen und Bayern vom Landesherrn
oder vom Kriegsminister auf Befehl des Landesherrn '. Es gibt über-
haupt kein Reichs-Armeeverordnungsblatt, sondern nur Armeeverord-
nungsblätter der vier Staaten, welche die Kontingentsherrlichkeit sich
bewahrt haben: ein deutliches Anzeichen dafür, daß es ebenso viele
Verordnungsgewalten gibt ?).
d) Diejenigen Staaten, welche ihre Truppen dem Verbande der
preußischen Armee vertragsmäßig eingefügt haben, haben zugleich das
Armee-Verordnungsrecht dem Könige von Preußen zur Ausübung
übertragen. Auf diese Staaten ist daher Art. 63, Abs. 5 ebensowenig
anwendbar wie auf Preußen selbst und auf Elsaß-Lothringen, da der
Kaiser hier zugleich das Recht des Kontingentsherrn ausübt.
Andererseits ist hinsichtlich Bayerns sowohl die Anwendung
des Art. 61 wie die des Art. 63, Abs. 5 verfassungsmäßig ausgeschlos-
sen. Die Einführung der vor dem Eintritte Bayerns in den Bund
erlassenen Gesetze und sonstigen Bestimmungen ist — abgesehen von
dem Erlaß von Reichsgesetzen — von der »freien Verständigung« ab-
hängig, d. h. der eigenen Entschließung Bayerns überlassen. Die Aus-
übung des Verordnungsrechts steht dem Könige von Bayern nicht
1) Sehr zahlreiche reglementarische Anordnungen ergehen übrigens in der Form
des Ministerialerlasses, und zwar niemals als Erlasse des Reichskanzlers,
sondern stets als Erlasse des königl. preußischen Kriegsministers und als überein-
stimmende Erlasse des sächsischen und des württembergischen Kriegsministeriums.
2) Wenn G. Meyer, Annalen 1880, S. 239, Verwaltungsrecht (Dochow)
S. 498, behauptet, daß Verordnungen der Kontingentsherren sich nur auf solche
Gegenstände erstrecken dürfen, welche der selbständigen Erledigung durch die
Kontingentsherren in der Verfassung oder den Konventionen ausdrücklich vorbehal-
ten sind (ebenso Schulze II, S. 260 und Brockhaus S. 124), so kann man sich
durch einen Blick in einen beliebigen Band des sächsischen oder württembergischen
Armeeverordnungsblattes vom Gegenteil überzeugen.