6 S 96. Die Einheitlichkeit des Militärrechts u. der Heereseinrichtungen.
nur formell zu, sondern auch inhaltlich; insbesondere hat die königl.
bayerische Regierung bezüglich der Bewaffnung und Ausrüstung, so-
wie der Gradabzeichen die Herstellung der vollen Uebereinsimmung
mit dem Bundesheere »sich vorbehalten«, also das Selbstbestimmungs-
recht sich gewahrt. Dagegen ist Bayern verpflichtet, in bezug auf
Organisation, Formation, Ausbildung und Gebühren, dann hinsicht-
lich der Mobilmachung volle Uebereinstimmung mit den für
das Bundesheer bestehenden Normen herzustellen ').
III. Die Militärkonventionen?).
Die staatsrechtliche Bedeutung der, in den vorstehenden Aus-
führungen wiederholt in bezug genommenen, Militärkonventionen ist
nicht unbestritten und mehrfacher Auffassung fähig. Insbesondere
kommt das Verhältnis zur Reichsverfassung in Frage. Denn die Kon-
ventionen bewirken, wenigstens dem Anschein nach, eine tiefgreifende
Veränderung der in der Reichsverfassung festgesetzten Ordnung des
Heerwesens und doch ist es zweifellos, daß die Anordnungen der
Reichsverfassung durch Vereinbarungen, welche einzelne Staaten oder
Bundesfürsten unter sich treffen, nicht abgeändert werden können.
Einen Ausweg aus dieser Schwierigkeit scheint allerdings die Reichs-
verfassung selbst zu bieten, indem sie im Eingange des Art. 66 den
Vorbehalt macht: »wo nicht besondere Konventionen ein anderes
bestimmen.« Hierin finden viele Schriftsteller eine »verfassungs-
mäßige Ermächtigung« zum Abschluß der Konventionen’). Aber nur
die oberflächlichste Betrachtung kann sich damit begnügen. Denn ab-
gesehen davon, daß die erwähnte Stelle die Befugnis der Einzelstaaten
nicht konstituiert, sondern als von selbst bestehend voraussetzt, so
spricht sie lediglich von der Ernennung der Offiziere, wäh-
rend die Konventionen einen viel umfassenderen und sehr mannig-
faltigen Inhalt haben ‘). Eine fernere Schwierigkeit ergibt sich daraus,
daß die Konventionen teils das Verhältnis der Einzelstaaten zuein-
ander, teils das Verhältnis derselben zum Bundesfeldherrn (Kaiser),
also zum Reich betreffen, so daß selbst darüber, wer als der Gegenkontra-
1) Vertrag vom 23. November 1870, IIL, 85, Ziff. I u. III. Schlußbestimimnung
zum XI. Abschnitt der Reichsverfassung. Die bayerischen Militärverordnungen wer-
den verkündigt in dem „Verordnungsblatt des königl. bayerischen Kriegsministe-
rlums“.
2) Tepelmann, Die rechtliche Natur der Militärkonventionen im Deutschen
Reiche, Hannover 1891 (Göttinger Doktordissertation); meine Erörterung im Archiv
für Öffentliches Recht Bd. 3, S. 529 fg. Uebereinstimmend Seydel, Kommentar
S. 375; G. Meyer, Staatsr. 8 197.
3) So z. B. Hänel, Studien I, S. 244; v. Rönne II, 2, S. 126; Meyer-
Dochow, Verwaltungsrecht S. 499 Note 28; Schulze II, S. 269.
4) Dies wird auch von Brockhaus, S. 170fg., anerkannt und weitläufig aus-
geführt. Die umständliche Erörterung, daß die durch den Vorbehalt des Art. 66 ge-
deckten Bestimmungen der Militärkonventionen gültig sind, stößt, wie man zu
sagen pflegt — offene Türen ein. Vgl. auch Tepelmann S. 13 fg.