Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

$ 96. Die Einheitlichkeit des Militärrechts u. der Heereseinrichtungen. 27 
hent der einzelnen Staaten anzusehen sei, eine Meinungsverschieden- 
heit möglich ist. Ein völlig befriedigendes Resultat ist auch nur zu 
gewinnen, wenn man den Inhalt der Konventionen scheidet und die 
verschiedenartigen Bestandteile gesondert betrachtet. 
1. Die eigentliche Grundlage, auf welcher die Militärkonventionen 
ruhen, ist die den Einzelstaaten auf dem Gebiete des Heerwesens ver- 
bliebene Autonomie und Selbstverwaltung. Innerhalb des 
von der Reichsgesetzgebung gezogenen Rahmens haben die Staaten 
freie Bewegung und über die ihnen verbliebene (beschränkte) Militär- 
hoheit selbständige Verfügung. Es gilt dies ebenso von den objektiven 
Rechtssätzen, welche in den Bereich dieser Autonomie fallen, als auch 
von den entsprechenden subjektiven Hoheitsrechten (Kontingentsherr- 
lichkeit und Verwaltungsbefugnis). Die Betätigung dieser Autonomie 
kann auch in der Form einer Staatsvertrages erfolgen, durch welchen 
sich ein Staat einem anderen gegenüber verbindlich macht, bestimmte 
Rechtssätze oder Verwaltungsvorschriften bei sich einzuführen, und 
von den ihm zustehenden Hoheitsrechten kann der Staat in der Art 
Gebrauch machen, daß er ihre Ausübung einem anderen Bundesstaat 
(oder auch dem Reiche selbst) überträgt. Dies ist in der Tat der 
wesentliche Inhalt und der überwiegende Schwerpunkt sämt- 
licher, von den Bundesstaaten abgeschlossener Militärkonventionen, 
mit alleiniger Ausnahme der von Sachsen, Württemberg und Bayern, 
die einer besonderen Erörterung bedürfen. 
Sämtliche Konventionen, von den drei genannten abgesehen, stim- 
men darin überein, daß die Einzelstaaten die ihnen zustehenden Mili- 
tärhoheitsrechte ganz oder doch zum größten Teile dem Könige von 
Preußen zur Ausübung übertragen, und daß über die Verwaltung und 
Unterhaltung des Kontingents, über die Ernennung, Patentierung, Ver- 
abschiedung der Offiziere und Beamten, sowie über den Fahneneid, 
über Rekrutierungs- und Landwehrangelegenheiten, militärgerichtliche 
und Disziplinarverhältnisse, Besteuerung und andere Rechtsverhält- 
nisse der Militärpersonen, Garnisoneinrichtungen usw. Abreden ge- 
troffen werden. Würden die Militärkonventionen keinen anderen 
Inhalt haben, so würde ihre rechtliche Würdigung keinerlei Schwierig- 
keiten unterliegen; sie würden gerade so wie die oben besprochenen 
Postverträge und Gerichtsgemeinschaftsverträge lediglich als Be- 
tätigung der den Einzelstaaten verbliebenen Autonomie zu erach- 
ten sein. 
Der Umstand jedoch, daß alle diese Verträge von den einzelnen 
Bundesstaaten mit dem Könige von Preußen abgeschlossen worden 
sind und daß der letztere zugleich Bundesoberfeldherr, beziehent- 
lich Kaiser ist, war Veranlassung, daß sie noch einen Nebenbestand- 
teil enthalten, der sich nicht als zwischenstaatliches Rechts- 
geschäft charakterisiert, sondern der das Rechtsverhältnis zwischen 
Einzelstaat und Reich betrifft. Während in der Hauptsache die
	        
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