Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

$ 114. Der Reichsfiskus. 397 
vom 27. Juni 1871, $ 16, welches bestimmt, daß in Ermangelung 
einer anderen landesgesetzlichen Bestimmung der Mili- 
tärfiskus durch die oberste Militärverwaltungsbehörde des Kontingents 
vertreten werde. Denn hiernach sind in erster Linie die Einzelstaaten 
berechtigt, die zur Vertretung des Militärfiskus befugten Behörden zu 
bestimmen !). 
Dieser der Reichsverfassung entsprechende Rechts- 
zustand hat aber seit dem Jahre 1873 eine Veränderung erfahren. 
Den Ausgangspunkt dieser Entwicklung bildet der mit dem Ueber- 
gang der Militärverwaltung in die Finanzwirtschaft des Reiches von 
selbst gegebene Satz, daß das gesamte bewegliche und unbewegliche 
Militärinventar der Einzelstaaten für Rechnung des Reiches 
verwaltet werden mußte, so daß kein Staat für andere Zwecke darüber 
verfügen durfte, und daß auch der Erlös für entbehrlich und unbrauch- 
bar gewordene Vermögensobjekte der Reichskasse zufiel.e. An beweg- 
lichen (verbrauchbaren) Sachen kam dies einem Eigentum des Reichs- 
fiskus gleich; an unbeweglichen wurde zwar an dem formalen Eigen- 
tum der Einzelstaaten festgehalten, es war aber eine des Vermögens- 
werts beraubte nuda proprietas geworden. Auch nahm man als selbst- 
verständlich an, daß die aus Reichsfonds angeschafften Gegenstände, 
sowohl bewegliche als unbewegliche, im Eigentum des Reiches stehen. 
Durch das Reichsgesetz vom 25. Mai 1873 wurde nun an allen zum 
dienstlichen Gebrauch der Militärverwaltung gewidmeten Gegenständen 
das Eigentum und die sonstigen dinglichen Rechte, welche den ein- 
zelnen Bundesstaaten zugestanden haben, dem Reiche übertragen. Dies war 
der entscheidende Schritt. Denn wenn alle beweglichen und unbe- 
weglichen Sachen sämtlicher Militärverwaltungen (mit Ausnahme Bayerns) 
im Eigentum des Reichsfiskus stehen, so wird in der Tat das Prinzip, 
daß der Militärfiskus Landesfiskus der Einzelstaaten sei, stark erschüt- 
tert; es muß auf die Dauer ein unhaltbarer Zustand sein, daß in einer 
und derselben Verwaltung alle sachenrechtlichen Verhältnisse den 
Reichsfiskus, alle obligatorischen den Landesfiskus betreffen °). 
1) Es handelt sich hier nicht, wie Hänel S. 513 unterstellt, darum, daß sich der 
Reichsfiskus dem Landesrecht unterwirft, sondern um eine organisatorische 
Einrichtung, um die Bestimmung, welches Organ den Militärfiskus vertritt. Istnun 
der Militärfiskus Landesfiskus, so ist es verständlich, daß das Reich den Einzelstaaten 
die Bestimmung dieses, ihres, Organs überläßt; ist aber der Militärfiskus Reichs- 
fiskus, so würde $ 19 den Einzelstaaten die Befugnis geben, die Vertretung des Reichs 
zu regeln, wodurch das Verhältnis zwischen Reich und Einzelstaat auf den Kopf ge- 
stellt würde. In den beiden Militärpensionsgesetzen von 1906 ist die Fassung ver- 
ändert worden. Auch diejenigen Behörden, welche den Militärfiskus in dem Falle 
der 8$ 829 ff. der Zivilprozeßordnung zu vertreten haben, sind nicht vom Reichs- 
kanzler, sondern von den Staaten mit Kontingentsverwaltungen bestimmt worden. 
gentralbl. 1881, S. 385, 446, 472; 1894, S. 388; für Bayern, Sachsen, Württemberg 1895, 
. 18 fg. 
2) Darauf wurde bereits in der ersten Auflage dieses Werkes Bd. 3, 2, S. 224 
hingewiesen.
	        
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