Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

$ 116. Die Reichsschulden. 371 
Den Gläubigern ist weder durch das Gesetz vom 3. Juni 1906 noch 
durch das Gesetz vom 15. Juli 1909 ein Anspruch auf Rückzahlung 
eingeräumt worden. 
2. Die privatrechtlichen Regeln!) Das Rechtsverhält- 
nis zwischen dem Fiskus und den Anleihegläubigern ist verschieden 
je nach der Art der Kreditbeschaffung; durch die Ausgabe von Schatz- 
scheinen wird eine Darlehensschuld, durch die Ausgabe von Schuld- 
verschreibungen ohne Fälligkeit eine Rentenschuld begründet; beide 
in derjenigen juristischen Gestaltung, welche durch die Obligations- 
form der »Wertpapiere« (Skripturobligationen) gegeben ist. Die Auf- 
nahme der Anleihe erfolgt durch die Ausfertigung und Ausgabe von 
Schuldverschreibungen auf den Inhaber, welche über die Teilsummen 
lauten, in welche der Gesamtbetrag der Anleihe nach Anordnung des 
Reichskanzlers zerlegt (»gestückelt«) ist. Die Ausgabe oder Emission 
ist bei der Reichs- und Staatsanleihe wie bei den Anleihen der Kom- 
munen, Aktiengesellschaften und Privatpersonen ein privatrechtliches 
Geschäft, welches als Verkauf der über die Rentenschuld ausgestell- 
ten Inhaberpapiere sich qualifiziert. 
Die in Betracht kommenden Rechtssätze, welche bisher in jedem 
einzelnen Anleihegesetz wiederholt wurden, sind jetzt in der Reichs- 
schuldenordnung und im Bürgerlichen Gesetzbuch allgemein festge- 
stellt worden. Es gelten folgende Regeln: 
a) Die Bestimmungen des BGB.s $$ 793—806 finden Anwendung, 
soweit nicht in der Reichsschuldenordnung oder in den einzelnen An- 
leihegesetzen abweichende Vorschriften gegeben sind. Die Gültigkeit 
der Schuldurkunden und der Zins- und Erneuerungsscheine ist durch 
vorschriftsmäßise Ausfertigung bedingt; doch bedarf es der 
Aufnahme dieser Bestimmung in der Urkunde nicht; bei den Schuld- 
verschreibungen ist die eigenhändige Unterzeichnung des Vermerkes 
»Ausgefertigt« seitens des damit beauftragten Beamten erforderlich ; 
die Ausfertigung der Zinsscheine und Erneuerungsscheine erfolgt durch 
Aufdruck eines den Reichsadler enthaltenden Trockenstempels ?). 
b) Dem Inhaber der Schuldverschreibung können von der Reichıs- 
schuldenverwaltung nur solche Einwendungen entgegengesetzt werden, 
welche die Gültigkeit der Ausstellung betreffen oder sich aus der Ur- 
kunde ergeben oder dem Aussteller unmittelbar gegen den Inhaber 
zustehen; die Zahlung kann nur gegen Aushändigung der Schuldver- 
schreibung gefordert werden ?). 
c) Nicht erhobene Zinsen (Renten) verjähren in vier Jahren 
— 
  
1) Vgl. darüber die sorgfältige Darstellung von G. Cohn in Endemanns Hand- 
buch des Handels-, See- und Wechselrechts Bd. 3, S. 858 ff.; ferner Cosack, Handels- 
recht 8 66. Kahlke, die rechtliche Natur der öffentlichen Anleihe (Kieler Disser- 
tation) 1897. Freunda.a. O.S. 55 ff., 129 ff. 
2) Reichsschuldenordnung $ 4. Vgl. BGB. $ 793, Abs. 2. 
3) BGB. 8 796, 797.
	        
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